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Starker Rückgang beim Neubau

„Ab 2025 werden kaum noch Wohnungen auf den Markt kommen“

Autorenprofilbild von Julia Witte genannt Vedder
Von Julia Witte genannt VedderManaging Editor Hamburg
Veröffentlicht am 04.03.2024Lesedauer: 4 Minuten
Bau von Mehrfamilienhaus
Der Bau von Wohnhäusern in Hamburg ist ins Stocken geraten. Neubauten wurden 2023 kaum gestartetQuelle: dpa/Rolf Vennenbernd

Die private Wohnungswirtschaft im Norden hat im vergangenen Jahr beim Neubau historische Einbrüche hinnehmen müssen. In Hamburg sank die Zahl der begonnenen Bauvorhaben um mehr als 80 Prozent. Die Forderungen an die Politik sind daher deutlich.

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Dass das Jahr 2023 für die private Wohnungswirtschaft im Norden nicht gut laufen würde, hatten die Mitgliedsunternehmen des Landesverbands Nord des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) schon bei ihrer Jahresversammlung im Februar 2023 geahnt. Statt beispielsweise in Hamburg mit dem Bau von mehr als 5200 Wohnungen zu beginnen, wie es im Jahr 2022 noch der Fall gewesen war, rechneten die Unternehmen des Verbandes damit, in der Hansestadt nur etwa 2500 Wohnungen zum Baustart zu bringen. Letztlich wurden es gerade einmal 770.

Kein Rückgang – ein Absturz

Das sei nicht mehr nur ein Rückgang, das sei „wirklich schon ein Absturz der Zahlen“, sagte der Vorsitzende des BFW Nord, Sönke Struck, am Donnerstag im Volksparkstadion. Dort trafen sich die Mitglieder, Vertreter von 230 mittelständischen Unternehmen der Immobilienwirtschaft, zur Jahrestagung. Sie sind in Hamburg nach eigenen Angaben für mehr als 60 Prozent des Neubauvolumens verantwortlich, begannen in den vergangenen Jahren mit dem Bau von nie weniger als 4500 Wohnungen im Schnitt.

Der jetzige Rückgang auf nur 770 Wohnungen übertreffe die schlimmsten Erwartungen, sagte Struck, der selbst ein Wohnungsunternehmen leitet. In der Geschwindigkeit sei die Bautätigkeit der Branche auch noch nie eingebrochen, so Struck, der sein Familienunternehmen in dritter Generation führt. „Dass es bei Konjunkturschwankungen zu Rückgängen in der Bautätigkeit gekommen ist, das gab es in der Vergangenheit immer mal, aber in dieser Form ist es wirklich historisch.“

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770 begonnene Wohnungen bedeuteten einen Rückgang von 85,3 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022. In Schleswig-Holstein sei der Baubeginn um 71,9 Prozent auf 556 Wohnungen abgestürzt, in Mecklenburg-Vorpommern um 58,4 Prozent auf gerade einmal 89 Wohnungen.

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Man habe lange schon gemahnt, dass der Wohnungsbau einbrechen werde, wenn die Zinsen ansteigen würden, sagte Struck. Grund seien die in den vergangenen Jahren immer höher gewordenen Anforderungen an den Neubau. Dazu zählten weiter steigende energetische Standards, aber auch Vorgaben in anderen Bereichen, etwa zur Barrierefreiheit oder zum Lärmschutz. Sie verteuerten die Vorhaben derart, dass sie – angesichts gestiegener Zinsen und Baukosten – nicht mehr wirtschaftlich darstellbar seien und viele Unternehmen von Neubauten Abstand genommen hätten.

Besserung nicht in Sicht

Und Besserung sei vorerst nicht in Sicht, denn auch die Planungen für das laufende Jahr seien nahezu kollabiert. So wollten die Mitgliedsunternehmen in Hamburg 2024 mit dem Bau von lediglich 971 Wohnungen beginnen – 62 Prozent weniger als im Jahr zuvor, in Schleswig-Holstein mit 967 Wohnungen (minus 42,5 Prozent) und in Mecklenburg-Vorpommern mit 72 Wohnungen (minus 66 Prozent).

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Aktuell merke man dem Wohnungsmarkt die Probleme beim Neubau noch nicht an, erläuterte Struck. So wurden 2022 noch 3302 Wohnungen bei den BFW Nord-Mitgliedsunternehmen fertig. Für 2024 wird mit der Fertigstellung von 3200 Wohneinheiten gerechnet. Aber: „Bei den fertiggestellten Wohnungen handelt sich um Projekte, die noch in der Vorkrisenzeit geplant und begonnen wurden.“ Danach sehe es „düster“ aus. „Ab 2025 werden kaum noch fertiggestellte Neubauwohnungen auf den Markt kommen.“

Zu viele DIN-Normen

Auch bei den Forderungen an die Politik wurde Struck am Donnerstag deutlich. So kritisierte er die Fokussierung auf DIN-Normen beim Bauen. „Von den 9000 relevanten DIN-Normen bräuchten wir vielleicht zehn Prozent“, sagte er. Der Verband forderte daher die Anforderungen an Bauvorhaben auf das nötige Maß abzusenken, konkret bedeute das, keine Anforderungen zu stellen, die über das Bau- und Planungsrecht hinausgingen.

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Seinen politischen Gästen gab der Verband die Forderung mit, sich bei den Kollegen der Länder und den Parteifreunden in Berlin dafür einzusetzen, das Bauen einfacher und damit kostengünstiger zu machen. Dazu gehöre auch, Typengenehmigungen möglich zu machen, die in mehreren Bundesländern gälten. Zur Tagung angekündigt hatten sich Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), Bauminister Christian Pegel (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern und Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD).

Für Struck war es die letzte Verbandstagung als Vorsitzender des Vorstandes. Zu seinem Nachfolger wurde Kay Brahmst gewählt.