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Bundesliga Maurizio Gaudino

Von Gottschalks Sofa direkt in U-Haft

Autonarr Maurizio Gaudino (l.) 1989 mit seinem Stuttgarter Mitspieler Fritz Walter Autonarr Maurizio Gaudino (l.) 1989 mit seinem Stuttgarter Mitspieler Fritz Walter
Autonarr Maurizio Gaudino (l.) 1989 mit seinem Stuttgarter Mitspieler Fritz Walter
Quelle: picture alliance/Pressefoto Rudel/Herbert Rudel
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Der Kriminalfall Maurizio Gaudino zählt zu den prominentesten des deutschen Fußballs. Obwohl vermögend und berühmt, lässt sich der Nationalspieler auf krumme Geschäfte ein. Der Richter spricht von „einer großen Sauerei“ und zeigt dennoch Gnade.

Die Strafakte von Maurizio Gaudino (57) beim Mannheimer Amtsgericht ist nicht mehr auffindbar. Der Grund könnte ein Wasserschaden gewesen sein, der etliche Unterlagen unbrauchbar machte, erklärt ein Mitarbeiter auf Anfrage. Doch so schnell lässt sich die Vergangenheit des ehemaligen deutschen Fußball-Nationalspielers nicht vergessen machen.

Gaudino wurde 1996 wegen Autoschieberei und Versicherungsbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, und einer Geldbuße in Höhe von 180.000 Mark verurteilt.

Der 14. Dezember 1994: Gaudino, bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag, hat an dem Abend wieder einen großen Auftritt. Dieses Mal nicht auf dem Fußballplatz, sondern auf dem Sofa in der RTL-Late-Night-Show von Talkmaster Thomas Gottschalk (73). An der Seite von Eisprinzessin Katarina Witt (58) plaudert er über sein Leben. Auch eine Tango-Tanzeinlage mit der Olympiasiegerin legt er auf Rollerblades hin. Die Laune kann nicht besser sein.

1993: Gaudino (l.) und der ebenfalls technische begnadete Uwe Bein im Eintracht-Trikot
1993: Gaudino (l.) und der ebenfalls technische begnadete Uwe Bein im Eintracht-Trikot
Quelle: picture alliance/Pressefoto Rudel/Herbert Rudel

Doch dann der Schock. Die Scheinwerfer brennen, und der Abspann läuft noch, als Gaudino in jener Nacht von Polizeibeamten vor den Münchner Filmstudios verhaftet wird. Angeblich wegen Fluchtgefahr. Der Haftbefehl war zwei Tage früher ausgestellt worden – am 28. Geburtstag von Gaudino.

Gottschalks flapsiger Kommentar

Gottschalk kommentiert den Vorfall flapsig mit den Sätzen: „Der übliche Weg ist es ja, erst verhaftet zu werden und dann in eine Talkshow zu gehen. Dass das jetzt andersherum abläuft, ist mir auch neu.“

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Zum Lachen ist Gaudino allerdings nicht zumute. Er kommt für einen Tag in Untersuchungshaft. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Mannheim lautet: Bandenhehlerei, Anstiftung zum Betrug und Vortäuschen einer Straftat. In mindestens drei Fällen, begründet die Polizei Mannheim in einer Erklärung, „soll Gaudino einen Beitrag dazu geleistet haben, dass Nobelwagen zu Unrecht als gestohlen gemeldet und anschließend in mindestens zwei Fällen die entsprechenden Versicherungssummen ausgezahlt worden sind“. Es handelte sich dabei um 200.000 Mark.

In der Nacht macht Gaudino keine Aussage. Am nächsten Morgen wird er von München nach Mannheim zum Verhör gefahren. In einem Audi 100 sitzt Gaudino zwischen zwei Beamten, damit er nicht flüchten kann. Sechs Stunden dauert die anschließende Vernehmung.

In der 90er-Jahren sahen Reservebänke in der Bundesliga noch anders aus als heute
In der 90er-Jahren sahen Reservebänke in der Bundesliga noch anders aus als heute
Quelle: picture alliance/dpa/Oliver Berg

Gaudino hat nach seiner Festnahme Rechtsbeistand von gleich vier Anwälten. Einer ist anfangs Horst Kletke, ein Bekannter des Profis, der damals auch für die Spielergewerkschaft VdV tätig ist. Der Fernsehsender RTL, bei dem Gaudino verhaftet wird, besorgt Roland Hasl aus München.

Gaudino verkehrte mit Heiner Lauterbach

Dank der Hilfe von Katarina Witt schaltet sich auch Heinz Düx mit ein. Der Strafverteidiger hatte die frühere Eiskunstläuferin erfolgreich vertreten, als gegen sie Stasi-Vorwürfe aufkamen. Der vierte Justiziar ist Wilhelm Barabas, ein Mitarbeiter von Düx. Nachdem sich Gaudino vor dem Haftrichter zu allen Vorwürfen erklärt und ein Teilgeständnis abgibt, wird er freigelassen. Die Ermittlungen laufen weiter.

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Gaudino verkehrte damals in seiner Freizeit gerne in seinem Restaurant in Mannheim sowie mit TV-Star Heiner Lauterbach. Mit dem Schauspieler drehte Gaudino sogar den ZDF-Fünftteiler „Der Schattenmann“, bekam eine Nebenrolle.

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Bei Eintracht Frankfurt war der Star mittlerweile unbeliebt, weil er im Herbst 1994 Zoff mit seinem Trainer Jupp Heynckes (78) hatte und zur Nachwuchsmannschaft strafversetzt worden war. Dennoch wurde er zu einer Kultfigur bei den Fans. Sie sangen auf die Melodie von „Eviva España“: „Die Sonne scheint bei Tag und Nacht, Maurizio Gaudino! Und keiner weiß, wie er das macht, Maurizio Gaudino! Wer klaut Autos in der Nacht? Maurizio Gaudino! Und keiner weiß, wie er das macht, Maurizio Gaudino!“

„Gaudino, bist du wirklich so blöd?“

Wenige Tage später flüchtete er nach England zu Manchester City – aufgrund seiner sportlich schweren Situation und all der Schlagzeilen nach seiner Verhaftung. Deutschland fragte sich, was Gaudino ist: ein kleiner „Autoschieber“ („Münchner Abendzeitung“), ein „Ganove“ („Hamburger Morgenpost“) oder sogar ein „Gangster“ (BILD)? Der „Express“ titelte: „Gaudino, bist du wirklich so blöd?“

Wie konnte der Fußballstar nur in so eine Situation geraten? Sein Ziehvater Klaus Schlappner (83), der ihn bei Waldhof Mannheim trainierte und unter dem er am 8. September 1984 in Braunschweig (1:0) sein Bundesliga-Debüt feierte, sagt: „Maurizio Gaudino ist keiner, der von Hause aus eine kriminelle Ader hatte. Er wollte guten Freunden zur Seite stehen, was absolut falsch war. Er war damals ein junger Bursche, ihm fehlte die Erfahrung.“

Deutscher Meister 1992: Gaudino mit Alexander Strehmel
Deutscher Meister 1992: Gaudino mit Alexander Strehmel
Quelle: picture alliance/Pressefoto Baumann/R4032

Um die Aussage richtig einordnen zu können, muss man wissen: Gaudino, Sohn eines italienischen Gastarbeiters aus Neapel, wuchs in Mannheim-Rheinau auf. Der Stadtteil gilt als sozialer Brennpunkt. Dort lernte er auf den Straßen das Kicken. Dort ging er zur Schule. Dort hatte er später noch zahlreiche Freunde und Bekannte – obwohl er längst ein prominenter Fußballer war, mit dem der VfB Stuttgart 1992 als Schlüsselspieler Deutscher Meister wurde.

Gaudinos Hang zu Ferraris

Gaudino galt als feiner Techniker, den der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts (77) mit zur WM 1994 in die USA nahm. Außerhalb des Rasens hatte er einen Hang zu schnellen Autos – vor allem zu Modellen der Nobelmarke Ferrari. Gaudino, der nach der Schule eine Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker begann, prahlte gerne in der Kabine, dass er die Strecke von Stuttgart nach München mit dem roten Flitzer in der Nacht in unter einer Stunde schaffen würde. Eine Strecke von 230 Kilometern.

„Ich wurde zum Zuhälter abgestempelt“, sagte er selbst mal. Weil er lange Haare trug, Ohrringe, Goldkettchen und Lederjacken. Bei der Urteilsverkündung am 31. Januar 1996 erschien Gaudino im Jackett und trug eine Krawatte. Er war um eine Image-Korrektur bemüht. Im Prozess kämpften seine Anwälte um ein mildes Urteil. Von Bereicherung könne kaum die Rede sein, argumentierten sie. Denn Gaudino hätte damals jährlich 500.000 Mark netto verdient.

Gaudino heute
Gaudino heute
Quelle: picture alliance/Pressefoto Rudel/Robin Rudel
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Das Amtsgericht Mannheim sah es jedoch als erwiesen an, dass Gaudino während seiner Zeit in Stuttgart in mindestens drei Fällen Freunden Tipps und entsprechende Kontakte zum Versicherungsbetrug gegeben und dabei teilweise niedrige vierstellige Beträge kassiert haben soll. Richter Kämmerer sprach während der Sitzung von „einer großen Sauerei“. Am Ende kam Gaudino aber mit einem blauen Auge davon – und landete nicht im Gefängnis.

„Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, als ich gehört habe, dass ich mit einer Bewährungsstrafe davonkomme“, sagte er nach der Urteilsverkündung. Die Geldstrafe in Höhe von 180.000 Euro ging an vier Drogentherapie-Anstalten im Großraum Mannheim.

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) geschrieben und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

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