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Verbraucher „Tierwohl-Cent“

Wird Fleisch bald teurer? Das steckt hinter Özdemirs Steuer-Plan

Redakteur Wirtschaft & Innovation
Özdemir will Fleisch und Wurst teurer machen

Fleisch und Wurst dürften bald deutlich teurer werden. Die Pläne von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir für eine neue Fleischsteuer werden konkreter. Wie hoch diese Steuer ausfallen soll, ist allerdings noch unklar.

Quelle: WELT TV

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Die deutschen Landwirte sollen nach den Vorstellungen der Politik ihre Ställe zugunsten von mehr Tierwohl umrüsten. Das Geld dafür soll von den Verbrauchern kommen – durch eine neue Steuer auf Fleisch. Jetzt gibt es ein konkretes Konzept. Ein anderer Kassenschlager dient als Vorbild.

Die Bauernproteste gegen die höheren Steuern auf Agrardiesel könnten eine paradoxe Folge haben: höhere Steuern auf Fleisch. Denn Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will das Versprechen der Ampel-Fraktionen an die Bauern, bis zum Sommer Reformvorhaben vorzulegen, als Beschleuniger für eine seiner Lieblingsideen nutzen.

Er hofft offenbar, das Konzept einer Tierwohlabgabe auf Fleisch doch noch in der laufenden Legislaturperiode durchzusetzen. Unter dem neuen Schlagwort „Tierwohl-Cent“ soll das Vorhaben laut einem neuen Papier seines Ministeriums auf eine neue Steuer auf Fleisch hinauslaufen. Vorbild für die Gestaltung ist die Kaffeesteuer.

Das Grundkonzept liegt schon seit vier Jahren vor. Eine noch von Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner (CDU) eingesetzte Kommission zur Zukunft der Tierhaltung hatte Anfang 2020 umfangreiche Vorschläge vorstellt, wie Deutschland im Alleingang Ställe mit mehr Platz je Tier einrichten und finanzieren könnte. Tierhalter sollten demnach finanziell für den Mehraufwand mit Geld entschädigt werden, das als Abgabe je Kilogramm Fleisch von den Verbrauchern gezahlt wird. Özdemir hat das Konzept in seine politische Agenda übernommen und wirbt dafür, seitdem er vor zwei Jahren überraschend Landwirtschaftsminister geworden ist.

Laut dem aktuellen Papier, das WELT vorliegt und über das „Table Media“ zuerst berichtete, ist die von der Kommission vorgesehene zweckgebundene Abgabe mit EU-Recht nicht vereinbar. Ein Ausweg wäre demnach eine Verbrauchsteuer nach Vorbild der Kaffeesteuer. Steuern sind allerdings prinzipiell nicht zweckgebunden.

„Mengenbezogene Ausgestaltung (Euro je Kilogramm). Die Höhe des Steuersatzes wäre frei skalierbar und ist politisch zu entscheiden“, heißt es in dem stichpunktartigen Papier. Erhoben werden solle die Steuer nicht beim Handel, sondern an den Schlachthöfen. Das sei einfacher zu handhaben. Bei privaten Einfuhren soll an der Grenze keine Steuer anfallen. Bei gewerblichen Einfuhren würde sie erhoben, bei Ausfuhren entsprechend erstattet.

Nach dem Konzept der Tierwohl-Kommission soll so möglich werden, dass in Deutschland trotz des einheitlichen EU-Agrarmarkts höhere Tierwohlstandards umgesetzt und national finanziert werden – ohne dass der Fleischbranche finanzielle Nachteile entstehen. Bislang ist für das Konzept lediglich eine Milliarde Euro über mehrere Jahre aus dem laufenden Bundeshaushalt vorgesehen. Dieser Kompromiss ermöglicht es Özdemir, das Programm bereits in dieser Legislaturperiode zu starten, während die Entscheidung über die finale Finanzierung auf die Zukunft vertagt ist.

Dabei ist bereits klar, dass diese Summe nur für eine Anschubfinanzierung reicht und für eine breite Umsetzung dauerhaft Milliardensummen nötig sind – bis eines Tages möglicherweise die Tierwohlstandards von der gesamten EU übernommen werden. Bauernverbände mahnen seit Jahren ein langfristiges Konzept an, um Tierhaltern Planungssicherheit für Investitionen in Stallumbauten und neue Ställe zu geben.

Neue Steuer wäre schnell einführbar

Bislang war eine neue Steuer auf Fleisch vor allem am Widerstand der FDP gescheitert, die sich allgemein gegen Steuererhöhungen positioniert hat. Das könnte sich durch die Bauernproteste ändern. Schließlich wäre die Steuer, deren Konzept im Prinzip steht, vergleichsweise schnell einführbar und somit ein sichtbares Zeichen der Koalition an die Landwirte.

„In der Koalition sind wir uns einig, dass es nun an der Zeit ist, Landwirten zügig mehr Handlungsspielräume zu geben und sie von einengender Regulierung und Bürokratie zu befreien. Die Vorgängerregierung versprach der Landwirtschaft viel, regierte aber kleinteilig in die Betriebe hinein und verschlechterte die wirtschaftliche Situation dadurch“, sagte der FDP-Agrarexperte Gero Hocker WELT. „Auch im Bereich der Tierhaltung werden wir in der Koalition intensiv beraten, wie wir die unternehmerische Landwirtschaft jetzt stärken können.“

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Fachpolitiker von Grünen und SPD hatten bereits in der Vergangenheit Zustimmung zu dem Konzept der Tierwohl-Kommission signalisiert, den Stallumbau durch zusätzliche Abgaben zu finanzieren. „Die Tierwohlabgabe ist aus meiner Sicht systematisch sinnvoll. Es handelt sich um – für den einzelnen Verbraucher – vergleichsweise kleine Aufschläge“, sagte die SPD-Fachpolitikerin Susanne Mittag am Mittwoch. So habe etwa die Kommission 40 Cent je Kilo genannt.

Allerdings bringt eine zusätzliche Steuer eher mehr Bürokratie als weniger. Eine Alternative wäre daher die Anhebung der Mehrwertsteuer (MwSt.) auf Fleisch, das bislang im Handel mit dem reduzierten Satz von sieben Prozent belegt wird. „Dabei stellen die Gutachten heraus, dass eine Erhöhung der MwSt. der mit deutlichem Abstand bürokratieärmste Weg wäre“, heißt es in dem Papier.

Laut der Vorlage ist das Landwirtschaftsministerium von den stellvertretenden Fraktionschefs aller drei Ampel-Fraktionen zur Prüfung der Fleischsteuer aufgefordert worden. Die konkrete Ausgestaltung falle aber in die Zuständigkeit des Finanzministeriums von Christian Lindner (FDP).

Das Finanzministerium verwies am Mittwoch auf Anfrage auf ein Interview, in dem sich Lindner kürzlich eher skeptisch geäußert hatte. So müssten noch europarechtliche Fragen geklärt werden. Ob die Steuer also im Sommer tatsächlich Teil des Angebots sein wird, das die Ampel den Landwirten machen will, ist daher ungewiss.

Selbst wenn eine Fleischsteuer eingeführt wird, soll ihre Wirkung laut dem Papier nach spätestens fünf Jahren überprüft werden. Schließlich könnte sie im für die Bauern ungünstigsten Fall die ohnehin sinkende Nachfrage nach Fleisch weiter dämpfen und letztlich den Marktpreis drücken – zulasten der Landwirte, die eigentlich profitieren können.

Die bereits im 18. Jahrhundert eingeführte Kaffeesteuer gibt es nur in wenigen EU-Ländern, darunter Deutschland. Sie ist nicht harmonisiert, kann also in Eigenregie der Mitgliedstaaten erhoben werden. Derzeit liegt sie bei 2,19 Euro je Kilogramm Kaffee und wird vom Zoll erhoben.

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