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Theater Anschlag von Hanau

Erinnern durch Anklagen, anklagen durch Rekonstruieren

Korrespondent
Schockierend und sehenswert: „And now Hanau“ Schockierend und sehenswert: „And now Hanau“
Schockierend und sehenswert: „And now Hanau“
Quelle: Bettina Stöß
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Zum vierten Jahrestag des rechtsextremen Anschlags von Hanau macht Tugsal Moguls Stück alles richtig, was bei der „Correctiv“-Inszenierung am Berliner Ensemble daneben ging. „And now Hanau“ dokumentiert die moralische Verwahrlosung der hessischen Landesregierung.

Seit seiner Entstehung in den Sechzigerjahren will das dokumentarische Theater nicht nur zeithistorische Geschehnisse realistisch abbilden, es will darüber aufklären. Nur selten dürfte es dabei so blitzschnell gehandelt haben wie bei der szenischen Lesung aus der „Correctiv“-Recherche Mitte Januar im Berliner Ensemble – und nur selten so krachend gescheitert sein, wovon man sich im Internet immer noch ein Bild machen kann.

„Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug“, schreibt Hegel in seiner Rechtsphilosophie. Das heißt: Erkenntnis kann sich erst einstellen, wenn ihr Gegenstand weitgehend abgeschlossen ist, in Hegels Worten: Wenn „eine Gestalt des Lebens alt geworden“ ist. Das gilt ebenso für die Kunst: Die Lyra des Apollo erklingt erst nach Sonnenuntergang; die künstlerische Bearbeitung eines Stoffes bedarf der zeitlichen Distanz.

Das Dokumentartheater und sein Anspruch auf Aktualität ist davon nicht ausgenommen. Zu den stilbildenden Autoren des Genres, einer Weiterentwicklung des politischen Theaters, an dem Bertolt Brecht und andere in den Zwanzigerjahren gearbeitet hatten, gehörte Peter Weiss. Sein Stück „Die Ermittlung“ wurde im Oktober 1965 uraufgeführt, zwei Monate nach der Urteilsverkündung im Frankfurter Auschwitz-Prozess, den es behandelte.

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Das „Theater der Berichterstattung“ (Weiss) tritt auf den Plan, sobald ein Thema aus der Berichterstattung verschwindet – und wenn genug bekannt ist, dass man sich zumindest einen vorläufigen Überblick über den Stoff und dessen Relevanz verschaffen kann. Darum war die „Correctiv“-Lesung im Berliner Ensemble kein politisches Theater, sondern kulturindustrielle Verramschung (mit einer kräftigen Portion Selbstüberhöhung des „Recherchenetzwerks“).

Was Dokumentationstheater leisten kann, zeigt hingegen Tugsal Mogul mit seinem Stück „And now Hanau“. Thema: einer der blutigsten Terroranschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte, bei dem der Attentäter Tobias Rathjen am 19. Februar im rassistischen Wahn neun Menschen ermordete, dann seine Mutter erschoss und schließlich Suizid beging.

Im Dezember vergangenen Jahres legte der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags seinen Abschlussbericht vor, dem einzig die zu diesem Zeitpunkt geschäftsführend regierenden CDU und Grünen vorbehaltlos zustimmten, während alle anderen Landtagsfraktionen – SPD, AfD, FDP und Linke – Sondervoten einlegten.

Darstellerin Agnes Lampkin (im Vordergrund). Die blonde Frau auf dem Bildschirm ist das Anschlagsopfer Mercedes Kierpacz.
Darsteller Agnes Lampkin, Regina Leenders, Tim Weckenbrock (v.l.). Die blonde Frau auf dem Bildschirm ist das Anschlagsopfer Mercedes Kierpacz.
Quelle: Bettina Stöß

Bereits im Mai 2023, kurz vor den letzten Anhörungen des Wiesbadener Ausschusses, wurde „And now Hanau“ im Rahmen der Ruhrfestspiele im Rathaus Recklinghausen uraufgeführt. Am 10. und 11. Februar, kurz vor dem vierten Jahrestag des Anschlags, war diese Koproduktion der Theater Münster und Oberhausen sowie des Berliner Maxim-Gorki-Theaters erstmals in Berlin zu sehen – zunächst im Rathaus Schöneberg, dann auf der Studiobühne des Gorki.

Während „Correctiv“ und Berliner Ensemble sich nicht entblödeten, für ihre szenische Lesung „neue Details der Recherche“ anzukündigen, macht „And now Hanau“ bereits im Prolog klar, was Aufgabe von Kunst ist – und was nicht: „Sie werden hier nichts hören, was Sie nicht schon gehört haben“, heißt es im Prolog. „Sie werden hier nichts sehen, was Sie nicht schon gesehen haben. Sie werden merken, was Sie alles vergessen haben.“

Genau das kann gerade ein „Theater der Berichterstattung“ leisten: In verdichteter Form Informationen zusammentragen und festhalten, die sonst in der Flüchtigkeit der Berichterstattung verloren gingen. „Wir erinnern“, lautet denn auch ein anderer Schlüsselsatz des Prologs.

Schockierend und sehenswert

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Doch bei Mogul kommt Erinnern nicht in den üblichen Floskeln vom Warnen und Mahnen daher. Der 54-jährige deutsch-türkische Regisseur und Dramaturg, der nebenher am Krankenhaus Münster als Anästhesist arbeitet, hat vielmehr Unterlagen und Protokolle des Untersuchungsausschusses und die Rechercheergebnisse der „Initiative 19. Februar Hanau“ ausgewertet und lange Gespräche mit den Angehörigen geführt.

Herausgekommen sind 85 Minuten klassisches Dokumentationstheater: vier Darsteller, keine festen Rollen, kaum fiktionale Textteile, wenige Hilfsmittel, minimalistisches Bühnenbild. Ein Stück, das erinnert, indem es anklagt, und anklagt, indem es rekonstruiert. Dargestellt aus der Perspektive der Opfer, mit detailliertem Fokus auf das Versagen der zuständigen Behörden – vor, während und nach der Tatnacht. So schockierend wie sehenswert.

Schwächen zeigt „And now Hanau“ an den seltenen Stellen, in denen Mogul dieses dokumentarische Prinzip durchbricht. Etwa gegen Ende des Prologs, als sich die Schauspieler mit identitärem Pathos ans Publikum wenden: „Sie sind eine Mehrheit. Sie sind die Mehrheitsgesellschaft. (…) Sie interessieren sich auch für dieses Thema. (…) Es berührt Sie. Aber es betrifft Sie nicht so richtig.“ „Das können Sie doch gar nicht wissen“, möchte man antworten. Und wenn, dann betrifft es nur die, die am 19. Februar 2020 ihre Liebsten verloren haben. „Das Feuer brennt, wo es hinfällt“, lautet ein türkisches Sprichwort.

Ein ähnlicher Missklang ist zu hören, als die Geschichte von Vili Viorel Paun erzählt wird, eines 22-jährigen Logistikarbeiters, der mit seinem Auto den Attentäter verfolgt hatte: „Der Vater von Vili wird bei der Polizei später auch mit antiziganistischen Äußerungen konfrontiert“, heißt es. Erst dann kommt Niculescu Păun selbst zu Wort: „Die Polizisten hatten nicht gewusst, dass ich etwas verstehe und sagten auf mich deutend: ‚Das ist der Vater von dem Zigeuner mit Zivilcourage.‘ Mein Sohn Vili ist ein Held! Er hat in die Polizei viel Vertrauen gehabt. Manchmal, wenn wir zusammensaßen, sagte ich zu ihm: ‚Vili, hier in Deutschland brauchst du keine Angst zu haben, mein Junge. Wir sind in Deutschland.‘“

Moguls Interpretationsanleitung („antiziganistisch“) ist nicht nur fraglich und aufdringlich, sie ist vor allem unnötig, weil das authentische Material, das er zusammengetragen hat, für sich spricht. So sagt Filip Goman, der Vater von Mercedes Kierpacz, einer deutschen Romni, die im Alter von 35 Jahren in ihren Kiosk ermordet wurde: „Mein Opa wurde im KZ vergast, meine Tochter in Hanau erschossen.“

Das Gleiche gilt für die Frage der politischen Kontextualisierung „Dass es einen Zusammenhang gibt zwischen rechten Hasspredigern und rechtsextremen Gewalttaten, ist unbestreitbar“, kommentierte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner unmittelbar nach dem Anschlag explizit an die Adresse der AfD. In „And now Hanau“ findet sich derselbe Gedanke. Doch eindrücklich wird das Stück nicht durch die politische Analyse, sondern durch die genaue, mitunter sekundengenaue Rekonstruktion: Präzise, sachlich, unerträglich. Keine Kritik kann vernichtender ausfallen sein als nüchterne Tatsachen.

Eine Computeranimation zeigt, wie das Anschlagsopfer Vili Viorel Paun mit seinem Auto den Attentäter verfolgt.
Eine Computeranimation zeigt, wie das Anschlagsopfer Vili Viorel Paun mit seinem Auto den Attentäter verfolgt.
Quelle: Ute Langkafel MAIFOTO

Zum Beispiel die Geschichte von Vili Viorel Paun, die in „And now Hanau“ mithilfe einer Computeranimation veranschaulicht wird: Wie er nach Feierabend durch die Hanauer Innenstadt fuhr, wie er mit seinem Fahrzeug das Auto des Attentäters, der zu diesem Zeitpunkt bereits drei Menschen ermordet hatte, bedrängte und so womöglich verhinderte, dass er dort weitere Menschen ermordete, wie der Attentäter sechsmal auf sein Auto schoss, wie Paun ihm mit seinem weiterhin fahrtüchtigen silbernen Mercedes in den Stadtteil Kesselstadt verfolgte, wie er währenddessen mehrmals vergeblich versuchte, den Notruf 110 zu wählen, aber niemanden erreichen konnte, wie der Attentäter ihn schließlich auf einem Parkplatz erschoss – und wie sich Pauns Geschichte auf die Frage zuspitzt: Würden Paun und die fünf späteren Opfer noch leben, wenn ein Beamter auf der Polizeistation Hanau I seinen Anruf entgegengenommen hätte?

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Der Hanau-Komplex, vor allem der Umgang mit den Angehörigen in der Tatnacht wie in der Zeit danach, wirft in etlichen Punkten die Frage auf, ob die mangelnde Anteilnahme, die die Verantwortlichen von der Polizei und der Politik zeigten, eine Folge von Rassismus ist.

So lässt „And now Hanau“ Selahattin Gürbüz zu Wort kommen, den Vater von Sedat Gürbüz, der als Besitzer der Shisha-Bar „Midnight“ im Alter von 29 Jahren ermordet wurde. „‚In meinen 42 Jahren als Anwalt habe ich noch viel Schlimmeres gesehen.‘ Das hat Volker Bouffier zu mir gesagt! (…) Er hätte so vieles anderes sagen können. Vor allem hätte er unsere vielen Fragen beantworten können!“ Und seine Frau Emis Gürbüz ergänzt, das türkische Generalkonsulat Frankfurt habe ihr angeboten, psychologischen Beistand zu organisieren – nicht jedoch die deutschen Behörden.

„Als ob ich vom Mars gefallen bin...“

Die deutschen Behörden organisieren stattdessen so genannte Gefährder-Ansprachen – an die Hinterbliebenen wohlgemerkt. „Wieso schickt man mir jemanden, der mir erklärt, dass in Deutschland Blutrache verboten ist?“, zitiert „And now Hanau“ aus einem denkwürdigen Dialog im Untersuchungsausschuss zwischen Armin Kurtović, dessen Sohn Hamza im Alter von 22 Jahren ermordet wurde, und dem FDP-Abgeordneten Jörg-Uwe Hahn. „Als ob ich vom Mars gefallen bin, mit dem Fallschirm hier gelandet und man mir das erklären muss.“

Doch das Behördenversagen allein mit Rassismus zu erklären – auch das wird hier deutlich –, wäre falsch. Die Tatrekonstruktion spricht nicht für die Forderung nach einer Auflösung der Polizei in ihrer bisherigen Form („Defund the Police“), die der radikale Teil der Black-Lives-Matter-Bewegung erhob, die drei Monate nach Hanau mit der Tötung von George Floyd ihren Höhepunkt erleben sollte. Die Tatrekonstruktion spricht vielmehr für eine bessere Ausstattung und Ausbildung der Polizei.

Die Sache mit dem Notruf etwa: „Die technische Ausrüstung sowie die personelle Ausstattung des Hanauer Polizeinotrufs stand seit vielen Jahren in der polizeiinternen Kritik“, heißt es im Stück. „Seit circa 20 Jahren ist die Notrufanlage in Hanau technisch nicht ausreichend ausgerüstet. Es gibt kein Überlaufsystem. Man landet im Nirgendwo, wenn die beiden Notrufleitungen belegt sind.“ Die überfällige Modernisierung sei jedoch aus Kostengründen immer wieder verschoben worden.

Damit ist die Frage nach der politischen Verantwortung nicht nur gestellt, sie ist auch beantwortet: Verantwortlich ist die seit 1999 ununterbrochen von der CDU geführte hessische Landesregierung, die sich gerne in der Tradition von Alfred Dregger und Manfred Kanther als Partei von Recht und Ordnung darstellt, aber nicht mal in der Lage war, die Notrufnummer auf Höhe der Zeit zu bringen.

Allerdings ist es nicht so, dass die politisch Verantwortlich dies nicht wüssten. Auch das schildert „And now Hanau“ ausführlich: Wie der damalige CDU-Innenminister Peter Beuth den Innenausschuss – so muss man annehmen – vorsätzlich anlog und noch ein Jahr nach der Tat behauptete, der Notruf sei zur Tatzeit zunächst mit zwei und dann sogar drei Beamten besetzt gewesen.

Als sei all das noch nicht genug, lag Vili Viorel Pauns Handy monatelang bei den Ermittlern. Seine gescheiterten Anrufe bei der 110 bemerkte aber erst die Anwältin der Familie Paun, nachdem man ihr das Telefon ausgehändigt hatte.

Der Regisseur will etwas verändern

Ein anderes unglaubliches Detail, das nicht die Ermittler ans Tageslicht beförderten, sondern die von den Anwälten der Opferfamilien beauftragte Agentur Forensic Architecture: Wie Polizeikräfte zum Haus des Attentäters fuhren, in dem dieser mit seinen Eltern wohnte, zunächst aber wieder abzogen, während der Polizeihubschrauber ziellos durch die Gegend flog und dessen Besatzung mehrfach vergeblich nach der genauen Adresse fragte, die man aus der Luft überwachen sollte. Der Täter, der in dieser Zeit seine bettlägerige Mutter ermordete und schließlich Suizid beging, hätte also unbemerkt von der Polizei das Haus verlassen und sein mörderisches Treiben fortsetzen können.

In „And now Hanau“ wimmelt es nur so vor solchen Details. Doch Mogul will nicht nur anklagen, er will mit seinem Stück etwas verändern. Darum will er das Stück nicht nur auf Theaterbühnen zeigen, sondern, wie er im Gespräch mit WELT erläutert, auch an Orten, an denen „Judikative, Legislative und Exekutive Entscheidungen treffen“. Bislang gab es Aufführungen am Landgericht Münster sowie in einigen Rathäusern, darunter Hanau, Hamburg-Altona und zuletzt Berlin-Schöneberg.

Im hessischen Landtag laufe eine Anfrage, die Bundestagspräsidentin hingegen habe aus grundsätzlichen Gründen abgelehnt. Dennoch gibt Mogul die Hoffnung nicht auf: „Ich verstehe das. Aber es muss ja nicht der Plenarsaal sein, vielleicht findet sich unter dem Dach des Bundestags ein anderer Ort.“ Auch an Polizeiakademien würde er das Stück gerne sehen.

Würde sich jemand die Mühe machen, anhand des Aktenmaterials zwei weitere Episoden aus der jüngeren Geschichte des Landes aufzuarbeiten, das Ergebnis wäre eine Trilogie der moralischen Verwahrlosung.

Roland Koch, der 1999 mit einem ressentimentgeladenen Wahlkampf gegen die doppelte Staatsbürgerschaft erstmals an die Macht kam, den er, wie sich bald herausstellen sollte, teils mit illegalen Geldern finanziert hatte, welche die hessische CDU als „jüdische Vermächtnisse“ deklariert hatte. Koch, der dreist im Amt blieb, nachdem er selbst der Beteiligung an diesen Machenschaften überführt worden war – eine Abgeschmacktheit, neben der alles, was sich über Hubert Aiwangers Flugblattaffäre sagen lässt, verblasst.

Dann Kochs Innenminister und Nachfolger Volker Bouffier, dessen Amt für Verfassungsschutz die NSU-Akten für 120 Jahre sperren lassen wollte und das bis heute keine plausible Erklärung dafür liefern konnte, warum der Verfassungsschützer Andreas Temme im April 2006 zur Tatzeit in dem Kasseler Internetcafé anwesend war, als Halit Yozgat, ermordet wurde – der letzte Mord der „Ceska-Serie“ des NSU.

Eine Landesregierung, die sich nicht einmal vom Mord an einem Regierungspräsidenten und CDU-Politiker, dem Mord an Walter Lübcke im Juni 2019, dazu bewegen ließ, den Indizien auf Verbindungen zum NSU-Komplex nachzugehen, weshalb man das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz weiterhin nicht als dümmste, sondern als gefährlichste Behörde Deutschlands bezeichnen darf.

„And now Hanau“-Darsteller Regina Leenders, Tim Weckenbrock, Alaaeldin Dyab (v.l.)
„And now Hanau“-Darsteller Regina Leenders, Tim Weckenbrock, Alaaeldin Dyab (v.l.)
Quelle: Bettina Stöß

Und schließlich das, was „And now Hanau“ so schmerzhaft deutlich macht: Der heutige Ministerpräsident Boris Rhein, der schon im ersten Kabinett Bouffier als Innenminister an der NSU-Vertuschung beteiligt war und der die politische Verantwortung dafür trägt, dass niemand Verantwortung für die skandalösen Vorgänge rund um den Terroranschlag von Hanau übernommen hat. Und Peter Beuth, 2014 bis 2024 Landesinnenminister, der nach Kräften versucht hat, das Versagen der Polizei zu kaschieren und nicht davor zurückschreckte, die Öffentlichkeit wie den Untersuchungsausschuss zu belügen.

„Brutalstverwahrlost“ böte sich als Titel dieser Trilogie an. Die müsste dringend nachholen, was in „And now Hanau“ fehlt und was die schwerwiegendste Kritik ist, die sich Tugsal Mosuls gefallen lassen muss: Dass dieses „Theater der Berichterstattung“ mit keiner Silbe erwähnt, wer an all diesem Versagen und Vertuschen als Juniorpartner beteiligt war: die hessischen Grünen unter Tarek Al-Wazir nämlich, jene Partei, die sich so gerne als moralischste aller Parteien gibt und ganz konsterniert war, als Rhein sie kürzlich nach zehn Jahren aus der Regierung warf. Um es mit Bertolt Brecht, dem Urvater der Dokumentationstheaters, auszudrücken: Erst kommt das Hessen, dann kommt die Moral.

Kommende Aufführungen:
04.03. / 22.03.: Theater Münster / Landgericht Münster.
19.03.: Jüdisches Museum Frankfurt. 21.03.: Rathaus Oberhausen. 16.03. / 17.03.: Theaterhaus Stuttgart (in der Regie: Werner Schretzmeier)

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