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Alles „Murks“? – Was aus Lauterbachs Cannabis-Gesetz folgt

Redakteurin Innenpolitik
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Quelle: picture alliance/photothek/Felix Zahn
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Die geplante Cannabis-Entkriminalisierung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird von vielen Seiten scharf kritisiert. Tatsächlich ist fraglich, ob zentrale Ziele des Vorhabens erreicht werden können. WELT erklärt, was auf die Bürger zukommt – und welche Kritikpunkte berechtigt sind.

Einst hatte sich die Ampel-Regierung von einer Cannabis-Legalisierung gesellschaftspolitisch Prestige versprochen, mittlerweile ist weder Prestige noch eine Legalisierung übrig geblieben. Kommende Woche wird im Bundestag über ein Gesetz beraten, das Cannabis in Teilen entkriminalisiert – und von vielen Seiten massiv kritisiert wird.

Jüngste Spitze: Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens nennt den Entwurf „Murks“, der Bundestagsabgeordnete und Innenpolitiker Sebastian Fiedler spricht von einem „schweren Fehler“. Pikant: Beide sind in der SPD, also in der Partei, der auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angehört, der das Gesetz verantwortet.

Doch was genau kommt mit dem Gesetz, das am 1. April in Kraft treten soll, auf die Bürger zu – und welche Kritikpunkte sind berechtigt? WELT analysiert drei wichtige Ziele des Gesetzes – und erklärt, warum Teile davon wohl kaum erreicht werden.

Schwarzmarkt dürfte in weiten Teilen bestehen bleiben

Ursprünglich hatte die Ampel-Regierung geplant, Cannabis staatlich kontrolliert anbauen zu lassen und den Verkauf in lizenzierten Fachgeschäften zu ermöglichen. So würden Verunreinigungen mit gefährlichen Substanzen reduziert und der Schwarzmarkt sowie die organisierte Kriminalität zurückgedrängt. Doch daraus wurde nichts: Keine der drei Ampel-Parteien hatte offenbar auf dem Schirm, dass ein Handel mit Cannabis gegen EU- und UN-Recht verstößt – und so wurde das Vorhaben wieder kleinlaut einkassiert.

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Geblieben ist eine abgespeckte Lösung, die lediglich den Konsum und Besitz entkriminalisiert: Private Konsumenten dürfen künftig im öffentlichen Raum bis zu 25 Gramm und zu Hause bis zu 50 Gramm Cannabis bei sich tragen. Zusätzlich soll es möglich werden, am Wohnort bis zu drei Pflanzen anzubauen und Mitglied in einem genossenschaftlich organisierten Cannabis-Club zu werden. Da beides allerdings mit Zeit, Geld und Aufwand verbunden ist, dürfte es vor allem für die diejenigen attraktiv werden, die im Alltag sehr häufig zum Joint greifen.

Die vielen Gelegenheitsnutzer indes werden wohl größtenteils weiterhin bei ihrem Dealer anrufen – und der Schwarzmarkt in weiten Teilen weiter bestehen bleiben.

Umstritten, wie stark Polizei und Justiz entlastet werden

Ein weiteres Ziel des Gesetzes ist es, Polizei, Justiz und Sicherheitsbehörden zu entlasten. Bisher musste bei Konsum und Besitz von Cannabis immer ein Ermittlungsverfahren eröffnet werden. Die Staatsanwaltschaft konnte dann etwa je nach Besitzmenge und Vorgeschichte des Betroffenen im eigenen Ermessen entscheiden, ob das Verfahren eingestellt wird oder eine Anklage erfolgt. Im Jahr 2022 gab es insgesamt mehr als 174.000 solcher polizeilich erfassten Cannabis-Verstöße.

Künftig wird der Aufwand an dieser Stelle deutlich geringer: Als potenzieller Straftäter gilt nur, wer mehr als 25 Gramm im öffentlichen Raum oder 50 Gramm Cannabis zu Hause hat– oder erkennbar Handel betreibt, etwa den Stoff auf viele kleine Tüten verteilt, mehrere Handys und auffällig viel Bargeld bei sich trägt.

Allerdings, so fürchten Interessenvertreter von Polizei, Kriminalbeamten und Richtern, könnte dafür der Kontrollaufwand an anderer Stelle größer werden. So wird etwa kaum herauszufinden sein, woher die Person ihr Cannabis bezogen hat: legal aus einem Cannabis-Club beziehungsweise dem eigenen Garten – oder doch illegal auf dem Schwarzmarkt?

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Hinzu kommt, dass um Schulen und Kitas eine Konsumverbotszone von 100 Metern gelten soll. Diese wird zwar wohl nicht mit einem Streifenwagen kontrolliert werden müssen, die Polizeivertreter fürchten aber, dass der Aufwand etwa durch eine erhöhte Zahl von Bürgeranrufen zunehmen wird.

Das Gleiche gilt für die Kontrolle der Begrenzung auf drei Pflanzen, die etwa im Garten angebaut werden können. Auch die Strafjustiz rechnet mit Mehrarbeit: Nach Inkrafttreten des Gesetzes müssen bereits verhängte, aber noch nicht vollstreckte Strafen erlassen werden – und hierfür womöglich tausende Akten überprüft werden.

Mehr Kinder- und Jugendschutz fraglich

Der wohl größte Spagat des geplanten Gesetzes ist es, einerseits Cannabis zu entkriminalisieren und im selben Atemzug vor dem Konsum zu warnen. Immer wieder verweist Gesundheitsminister Lauterbach auf die schweren Risiken für unter 25-Jährige, deren Gehirn sich noch im Wachstum befindet – und rechtfertigt gleichzeitig die Altersgrenze ab 18 Jahren. Zu der Frage, ob das Gesetz zu einem steigenden Konsum bei Jugendlichen führen wird oder nicht, gibt es grundlegend verschiedene Ansichten.

Die Verfechter des Vorhabens betonen das Aufklärungs- und Präventionsprogramm, das ebenfalls Teil des Gesetzespakets ist. Zudem verweisen sie auf erfolgreiche Beispiele aus dem Ausland: Etwa auf Kanada, wo Cannabis 2018 legalisiert wurde und der Konsum unter Jugendlichen zurückgegangen sein soll.

Kritiker des Vorhabens, darunter alle großen Kinder- und Jugendärzteverbände sowie die Bundesärztekammer, verweisen hingegen auf andere Quellen, die das Gegenteil belegen sollen, etwa auf Informationen der Vereinten Nationen und einiger US-Bundesstaaten.

Sie argumentieren, eine gesetzliche Entkriminalisierung führe bei Jugendlichen zu einer geringeren Risikowahrnehmung und verstärke die Weiterreichung der Droge. Zudem werde die Gefahr, verunreinigte Substanzen vom Schwarzmarkt zu konsumieren, kaum abnehmen. Welches der Szenarien am Ende tatsächlich in Deutschland eintreten wird, lässt sich seriös noch nicht vorhersehen.

Wie geht es weiter?

Trotz der lautstarken Kritik einiger SPD-Bundestagsabgeordneter gilt eine Mehrheit bei der Abstimmung kommende Woche als sicher. Um mögliche Gegenstimmen aus der Koalition zu protokollieren, hat die Unionsfraktion angekündigt, eine namentliche Abstimmung zu beantragen. Offen ist allerdings noch, wie der Bundesrat entscheidet, der sich voraussichtlich am 22. März mit dem Thema befassen wird. Die Cannabis-Freigabe ist zwar kein Zustimmungsgesetz, das Ländergremium kann jedoch den Vermittlungsausschuss anrufen und damit das geplante Inkrafttreten zum 1. April verhindern.

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Hinzu kommt, dass das vorliegende Gesetz nur den ersten Teil von Lauterbachs Cannabis-Plänen ausmacht. Der Minister will im nächsten Schritt in ausgewählten Modellregionen Cannabis in Fachgeschäften verkaufen. In diesem Fall wird mit einer Zustimmung der EU gerechnet, da es sich um ein wissenschaftlich begleitetes Projekt handeln soll. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums teilte auf Anfrage mit, zurzeit liefen dafür mit anderen beteiligten Ressorts „Vorbereitungsarbeiten“.

Ob es mit den Modellregionen noch in dieser Legislaturperiode klappt, ist fraglich. Dabei würde mehr Tempo sicherlich nicht schaden: Die Unionsfraktion hat angekündigt, im Falle einer Regierungsbeteiligung in der nächsten Wahlperiode die gesamte Cannabis-Entkriminalisierung wieder rückgängig zu machen.

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