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Deutschland Höcke gegen Voigt

Der „Nazischloss“-Vorwurf, grobe Schnitzer – und ein Koalitionsangebot

Ressort Politik
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Thüringens CDU-Spitzenkandidat Voigt geht aus einer schwierigen Startposition ins WELT TV-Duell mit AfD-Kontrahent Höcke. Er entscheidet sich für eine Mischung aus Attacke und provozierender Ruhe. Doch Höcke kann empfindliche Treffer landen. Am Ende stehen eine Offerte und die Frage nach der Brandmauer.

Es ging um die Zukunft Europas und der EU im mit Spannung erwarteten Fernsehduell des Thüringer CDU-Vorsitzenden Mario Voigt mit dem AfD-Chef des Landes, Björn Höcke, auf WELT TV. Es ging um Antisemitismus und Erinnerungskultur, um Migration, die Haltung zu Russland – und um Mettbrötchen.

Um die ganz großen und um kleine Fragen also, zu denen die beiden Spitzenkandidaten ihrer Partei bei der Landtagswahl im September Rede und Antwort stehen sollten. Der Schlagabtausch begann hitzig und endete überraschend mit einer ausgestreckten Hand des einen Kontrahenten am Ende des Duells.

Christdemokraten wie AfD-Funktionäre werden den Auftritt ihres jeweiligen Kandidaten als Erfolg feiern. Die CDU kann das am Ende überzeugender. Voigt machte über weite Strecken überwiegend besonnen, aber bisweilen durchaus aggressiv in der Wortwahl seine Punkte. Er provozierte Höcke, verleitete ihn zu verbalen Ausfallschritten. Vor allem machte er keine gravierenden Fehler.

Die Spitzenkandidaten von AfD und CDU, Björn Höcke (l.) und Mario Voigt, im Studio von WELT TV
Die Spitzenkandidaten von AfD und CDU, Björn Höcke (l.) und Mario Voigt, im Studio von WELT TV
Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

Höcke dagegen, der durchaus starke Momente hatte und Voigt stellenweise in die Defensive drängen konnte, wirkte zwar allein durch seine offensive Körpersprache und seinen deutlich längeren Redeanteil (Höcke: knapp 35 Minuten – Voigt: knapp 27 Minuten) über Phasen präsenter. Aber er leistete sich mehrere Schnitzer.

Voigts Strategie in dem von Chefmoderatorin Tatjana Ohm und WELT TV-Chefredakteur Jan Philipp Burgard moderierten Duell war auf Angriff ausgerichtet. So wie es derzeit die große Linie in der CDU insgesamt ist. Die Argumente der AfD auf Schwachstellen abklopfen und widerlegen ist das Ziel. Während bei Linken, SPD und Grünen weiter die Parole lautet, mit Rechtsextremisten spreche man nicht, suchen die Christdemokraten die Konfrontation.

Die WELT-Journalisten im Studio: Chefmoderatorin Tatjana Ohm und Chefredakteur Jan Philipp Burgard
Die WELT-Journalisten im Studio: Chefmoderatorin Tatjana Ohm und Chefredakteur Jan Philipp Burgard
Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

Die Thüringer SPD hatte im Vorfeld des TV-Duells die Losung ausgegeben, lieber Netflix zu gucken, als Voigts Schlagabtausch mit Höcke anzuschauen – und damit die AfD weiter zu ignorieren. Die AfD bremst das nicht, in Umfragen wächst sie weiter. Rund ein Drittel der Befragten in den ostdeutschen Ländern kann sich vorstellen, der Rechtsaußen-Partei bei Wahlen ihre Stimmen zu geben, in Thüringen sind es aktuell laut Umfragen 29 Prozent. Die CDU kommt auf 20 Prozent. Voigt muss aufholen, er muss angreifen, wenn er Ministerpräsident werden will.

Es ist eine schwierige Ausgangslage für einen Politiker, der Ambitionen auf ein führendes Regierungsamt hat. Denn dafür muss man in aller Regel Ruhe und staatsmännische Haltung ausstrahlen, das Gefühl vermitteln, bei ihm wäre das Bundesland in guten Händen. Mit dem Angriffsmodus ist das schwer vereinbar.

Über weite Strecken pariert Höcke gelassen, bis …

Es dauerte nur Minuten, da attackierte Voigt seinen Kontrahenten direkt: „Björn Höcke sagt, die EU muss sterben, ich will, dass Europa und die EU leben.“ Die EU stehe für Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand. Es war der Streit der beiden auf X, vormals Twitter, um die Aussage Höckes, die EU müsse sterben, der das Duell ausgelöst hatte. Höcke hatte den Schlagabtausch vorgeschlagen, nachdem er zuerst noch juristisch gegen entsprechende Äußerungen Voigts in einem WELT-Interview hatte vorgehen wollen.

Voigt ging Höcke im weiteren Verlauf immer wieder hart an. Sagte Sätze wie, er müsse den Thüringer AfD-Chef nicht einen Faschisten nennen, das habe ein Gericht schon getan. Er nannte Höcke einen „Reichskanzler“. Sprach mit Blick auf das als rechtsextrem eingestufte „Institut für Staatspolitik“ mit Sitz in Schnellroda vom „Nazischloss“, in dem die AfD debattiere.

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Und er reizte Höcke mit der Belehrung, dass Mettbrötchen in Thüringen Gehacktes hießen. Auch das war Strategie. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ist aus dem Westen, SPD-Innenminister Georg Maier ist es, Höcke ebenfalls. Unter den Spitzenleuten bei der Landtagswahl mit Siegeschancen ist nur Voigt Thüringer. Er will mit dem Heimvorteil punkten.

Höcke parierte über weite Strecken gelassen. Bis ihm Voigt nach 20 Minuten vorhielt, die AfD habe mit ihrem bisher einzigen Landrat im thüringischen Sonneberg, Robert Sesselmann, bislang rein gar nichts erreicht (außer „die dicken Backen aufzublasen“). Keine Bezahlkarte für Asylbewerber, wie in anderen Landkreisen, keine Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit, wie es der jüngst gewählte CDU-Landrat Christian Herrgott im Saale-Orla-Kreis in Thüringen für Asylbewerber eingeführt hat. Darauf fiel Höcke kein schlagkräftiger Konter ein.

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Auch nicht auf den Vorwurf, die SA-Parole „Alles für Deutschland“ verwendet zu haben. Außer der Entgegnung, er habe nicht gewusst, dass das eine Parole der nationalsozialistischen „Sturmabteilung“ gewesen sei. Nächste Woche wird darüber vor dem Landgericht Halle wegen mutmaßlichen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verhandelt. Höcke hat Geschichtswissenschaft studiert und war Geschichtslehrer an einem hessischen Gymnasium.

Ganz blank stand der AfD-Chef Thüringens auf die Frage der Moderatoren da, ob er – wie in seinem Buch geschrieben – weiterhin der Meinung sei, die in Hamburg geborene SPD-Politikerin Aydan Özoğuz habe in Deutschland „nichts zu suchen“, weil sie außer der Sprache keinen Bezug zur deutschen Kultur habe. „Das Buch ist sechs Jahre alt“, antwortete Höcke. Er kenne den Kontext nicht mehr. „Ich müsste die Passage selbst lesen.“

Auch an den Namen Aydan Özoğuz wollte sich Höcke in diesem Moment nicht erinnern. Man könne nicht jeden Politiker im Land kennen. Özoğuz ist Bundestagsvizepräsidentin. Eine Antwort blieb Höcke schuldig.

Ein paar Steine auf die CDU-Brandmauer

Aber auch Höcke landete empfindliche Treffer. Mit dem Hinweis, dass es Kanzlerin Angela Merkel von der CDU gewesen sei, die die Migrationskrise ausgelöst habe. Dass die CDU viele Jahre lang im Bund und im Land Thüringen regiert, Kanzler sowie Ministerpräsidenten gestellt habe und nun beklage, was die Christdemokraten angerichtet hätten. Höcke nannte die hohen Steuerbelastungen, wachsende Bürokratie und die Migrationspolitik.

Das große Dilemma des Mario Voigt ließ Höcke als Vorlage ungenutzt. Die Frage nämlich, mit wem Voigt und seine CDU nach der Landtagswahl am 1. September denn regieren wollen, wenn sie jede Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken ausschließen, die derzeit zusammen auf rund 45 Prozent der Stimmen in Wahlumfragen kommen.

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Im Gegenteil: Am Ende des Duells bestand Höcke auf eine letzte Wortmeldung, um der CDU eine Zusammenarbeit anzubieten. Für eine „bürgerlich-konservativ-patriotische Wende“ in Thüringen, wie Höcke es nannte. „Meine Hand ist weiterhin ausgestreckt“, sagte Höcke und machte die entsprechende Geste. „Wir sind gesprächsoffen.“

Voigt packte prompt ein paar Steine auf die Brandmauer der Union, in der so oft Risse festgestellt werden, und sagte: „Herr Höcke, Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch. Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär.“

Das war das Schlusswort der Kontrahenten eines Duells, das 45 Minuten dauern sollte und am Ende nach knapp 75 Minuten zu Ende war.

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