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A321XLR

Der neue Hoffnungsträger von Airbus kommt der Markteinführung näher

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 31.08.2023Lesedauer: 6 Minuten
André Walter, Chef der zivilen Flugzeugproduktion von Airbus in Deutschland, bei der Eröffnung der neuen Produktionshalle
André Walter, Chef der zivilen Flugzeugproduktion von Airbus in Deutschland, bei der Eröffnung der neuen ProduktionshalleQuelle: dpa

In Hamburg eröffnet der Flugzeugkonzern eine Montagehalle für sein neues Langstreckenflugzeug. Noch ausstehende Zulassungen von Luftfahrtbehörden sieht der Deutschlandchef gelassen. Im zweiten Quartal 2024 soll die erste Maschine ausgeliefert werden.

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Die neue Halle verstelle ihm nun zwar den Elbblick von seinem Büro aus, sagt André Walter, Deutschlandchef des zivilen Flugzeugbaus von Airbus. Aber das nehme er gern in Kauf: „Als langjähriger Produktionsmanager schaue ich am liebsten auf die Produktion. Und das hier ist die modernste Halle weltweit zur Ausrüstung von Flugzeugrümpfen.“

Airbus, der führende Hersteller von Passagierflugzeugen, startet nach der Pandemie neu durch. Der Luftverkehr schließt mit einem starken Wachstum wieder an das Niveau von vor 2020 an – allen Klimadebatten zum Trotz. Der Energieverbrauch der Flugzeuge allerdings und auch ihr Ausstoß an Treibhausgasen ist für die Fluggesellschaften ein Treiber, um ihre Flotten zu erneuern. Auf Finkenwerder weihte Airbus am Mittwoch die 9600 Quadratmeter große Halle 259 ein. Dort werden Rumpfsegmente für den neuen Hoffnungsträger A321XLR ausgerüstet. Solche Maschinen verbrauchen bis zu einem Drittel weniger Kerosin als vergleichbar große Jets. Vor allem aber hat die Ultra-Langstreckenversion der ursprünglich als Kurz- und Mittelstreckenflugzeug konzipierten A321 bis zu 8700 Kilometer Reichweite. Damit kann eine Airline von Hamburg aus etwa direkt in die US-Metropole Chicago oder ins indische Mumbai fliegen – bislang unmöglich in dieser Größenklasse.

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Mit der A321XLR will Airbus das Langstreckenfliegen für die Luftfahrtgesellschaften flexibler machen – und das derzeit ohne ein direktes Konkurrenzmodell des großen Rivalen Boeing in den USA. Das Werk auf Finkenwerder – der weltweit drittgrößte zivile Luftfahrtstandort nach der Boeing-Zentrale in Seattle und dem Airbus-Hauptquartier in Toulouse – spielt dabei eine Schlüsselrolle: „Der Airbus-Standort Hamburg ist maßgeblich an der Entwicklung und Fertigung der A321XLR beteiligt“, sagte Walter bei Einweihungszeremonie der neuen Halle. Die Produktion der A321XLR werde „einen wesentlichen Beitrag zum Ratenhochlauf“ der A320-Modellfamilie leisten.

Die A320-Familie ist die mit Abstand wichtigste Produktgruppe von Airbus, mit einem Auftragsbestand von derzeit mehr als 7000 Maschinen der Modelle A320, A321 und A319 inklusive aller „Neo“-Varianten. Vor der Pandemie reichte der monatliche Durchsatz der A320-Reihe knapp an 60 Maschinen heran, dann wurde die Produktion drastisch gesenkt. Derzeit liegt die sogenannte „Rate“ wieder bei 50 bis 60 Maschinen im Monat, genaue Zahlen nennt Airbus aktuell nicht. Bis zum Jahr 2026 soll der Durchlauf auf monatlich 75 Maschinen der A320-Familie steigen.

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Von der A321XLR seien derzeit rund 570 Maschinen bestellt, sagte Walter. Im zweiten Quartal 2024 soll die erste Maschine ausgeliefert werden. Testflugzeuge werden bereits erprobt, die Produktionsstandorte und die Zulieferungen aufeinander eingespielt. Bislang hat die A321XLR noch keine Zulassung der zuständigen Luftfahrtbehörden in Europa und den USA. Das liegt vor allem an der neuartigen Konstruktion des rund 13.000 Liter fassenden Zusatztanks, der erstmals bei einem Flugzeug dieser Art direkt in den Rumpf eingebaut wird. Üblicherweise transportieren Passagierflugzeuge ihr Kerosin in Tragflächentanks. Man gehe fest von der rechtzeitigen Zulassung aus, sagte Walter. Andernfalls würde man die Serienproduktion jetzt nicht starten: „In drei bis vier Wochen werden hier die ersten Rumpfsegmente der A321XLR eingesetzt. Deren Durchlauf durch die Halle wird dann zunächst zwei und später eineinhalb Wochen dauern.“ Insgesamt dauere die Fertigung eines Flugzeugs der A320-Familie „mehrere Monate“ – je nachdem, von welchem Zeitpunkt an man die Fertigungen von Einzelteilen und die Produktion des Flugzeugs voneinander abgrenze.

Um die hohe Nachfrage nach den Modellen der A320-Familie bedienen zu können, modernisiert Airbus seine Fertigungen für die Flugzeuge auch in Hamburg immer wieder, in den vorbereitenden Stufen wie auch in den Endmontagelinien. Nach dem Produktionsende des Großraumflugzeugs A380 wurde der größte Teil der freigewordenen Hallen mit neuer Fertigungstechnik für die A320-Familie umgewidmet. Die Halle 259 ist der seit Jahren erste größere Neubau einer Produktionsstätte auf Finkenwerder. In der Halle werden die hinteren, in Hamburg gebauten Rumpfsegmente für die A321XLR unter anderem mit Rohrleitungen, Hydraulik- und Stromsystemen ausgestattet. Sitze, Sanitär- und Küchenanlagen kommen dann in der Endmontage hinzu.

Die Anlieferung der Teile läuft in der Halle 259 zu den Rumpfsegmenten weitgehend automatisch. Das Gebäude wurde mit dem Top-Energiestandard KfW40 gebaut und hat eine 3000 Quadratmeter große Solaranlage auf dem Dach. „Die Investition in die A321XLR-Ausrüstungsmontage am Standort Hamburg ist ein wichtiger Schritt hin zur Transformation der Luftfahrt Richtung Klimaneutralität“, sagte Anna Christmann (Grüne), Koordinatorin der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt, zur erhofften Kraftstoffeinsparung durch das neue Modell und zur energieärmeren Produktion. Es sei nicht selbstverständlich, „dass das effizienteste Passagierflugzeug der Welt in Hamburg gebaut wird“. Der Bund unterstütze den Weg hin zum klimaneutralen Fliegen mit Forschungsprogrammen, „von denen auch Airbus kräftig profitiert“.

Der in den Rumpf eingebaut Tank der A321XLR soll Airbus unter anderem auch wichtige Erkenntnisse für künftige Flugzeugmodelle liefern, die mit Wasserstoff angetrieben werden könnten. Neben „grünem“ Wasserstoff, hergestellt per Elektrolyse mithilfe von Ökostrom, gelten synthetisches Kerosin wie auch Batterieantriebe als technologische Pfade für Flugzeuge, die ohne Ausstoß von Treibhausgasen fliegen sollen. Welche Technologien sich dabei in welchem Segment der Passagierluftfahrt durchsetzen, ist aber völlig offen.

Auf Finkenwerder arbeiten für Airbus derzeit mehr als 15.000 überwiegend festangestellte Mitarbeiter sowie Leiharbeitskräfte. Während der Pandemie hatte Airbus mit dem Rationalisierungsprogramm „Odyssee“ die Belegschaft verkleinert und verjüngt. Rund 2300 Beschäftigte verließen seinerzeit Airbus und das Tochterunternehmen Premium Aeorotec an verschiedenen deutschen Standorten. Mittlerweile stockt der Konzern seine Belegschaft deutlich wieder auf: „Allein in Deutschland wollen wir für den zivilen Flugzeugbau in diesem Jahr 1300 Mitarbeiter neu einstellen“, sagte Walter. Manche von ihnen würden künftig auch in der neuen Montagehalle auf Finkenwerder arbeiten.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher hob bei der Einweihung der Halle die Bedeutung des Flugzeugbaus für die Hansestadt hervor. „Mit der A321XLR wird im Werk Finkenwerder das neue Flaggschiff der A320-Familie montiert, das in Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Reichweite neue Maßstäbe setzt. Der Produktionsstart in der neuen Ausrüstungsmontagehalle ist ein wichtiges Projekt für den Luftfahrtstandort Hamburg.“ Insgesamt rund 40.000 Mitarbeiter in etwa 300 Unternehmen umfasse die Luftfahrtindustrie in Hamburg, sagte Tschentscher. Etwa 40 Prozent des Hamburger Außenhandels-Wertes seien im vergangenen Jahr auf die Branche entfallen.

Tschentscher sagte, der Hafen habe für die Entwicklung der Luftfahrt in Hamburg immer eine wichtige Rolle gespielt. Tatsächlich begann der Flugzeugbau auf Finkenwerder in den 1930er-Jahren in einem Tochterunternehmen der Werft Blohm+Voss. Airbus wiederum nutzt die Elbe und den nahegelegenen Hafen bis heute zum Transport, zum Import und Export von Material und Bauteilen. Insgesamt allerdings steht der größte deutsche Seehafen nach jahrelanger Stagnation und zuletzt massiv gesunkenen Umschlagmengen vor großen Herausforderungen. Würde das Hafengeschäft nur ansatzweise so laufen, wie es bei Airbus bis zum Beginn der Pandemie lief – und nun wieder läuft –, dann hätte Hamburg eine große wirtschaftliche Sorge weniger.