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Wirtschaft Alternative Kraftstoffe

Fliegen soll grüner werden – doch die Ampel kürzt die Biosprit-Förderung

Wirtschaftskorrespondent
Ein Airbus Beluga XL wird mit dem nachhaltigem Kraftstoff SAF befüllt: Hergestellt hauptsächlich aus Speiseöl- und Fettabfällen Ein Airbus Beluga XL wird mit dem nachhaltigem Kraftstoff SAF befüllt: Hergestellt hauptsächlich aus Speiseöl- und Fettabfällen
Ein Airbus Beluga XL wird mit dem nachhaltigem Kraftstoff SAF befüllt: Hergestellt hauptsächlich aus Speiseöl- und Fettabfällen
Quelle: picture alliance/dpa/Sina Schuldt
Flugzeuge sollen bis 2030 zum großen Teil mit nicht-fossilem Kraftstoff fliegen. Dessen Produktion wollte die Regierung mit zwei Milliarden Euro unterstützen. Das wurde jetzt fast völlig gestrichen – und Deutschland droht nun auch hier den Anschluss zu verlieren.

Die Luftfahrt soll sauber werden. Um eine Senkung des CO2-Ausstoßes durch Flugzeuge zu erzwingen, verpflichtet die EU ihre Airlines deshalb, nicht-fossile Kraftstoffe ins Kerosin zu mischen. Ab 2025 muss an europäischen Flughäfen der Sprit mindestens zwei Prozent nachhaltigen Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuels, kurz SAF) enthalten. Die Beimischungsquote steigt in den kommenden Jahren in den zweistelligen Prozentbereich an. Wer sich nicht daran hält, muss hohe Strafen zahlen.

Doch es steht mehr denn je in den Sternen, ob es überhaupt genug alternative Kraftstoffe geben wird, um die Vorgaben aus Brüssel erfüllen zu können. Denn die Bundesregierung hat nun die Fördermittel, die den notwendigen Markthochlauf für alternative Flugkraftstoffe ermöglichen sollten, fast vollständig zusammengestrichen.

Von den Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von ursprünglich zwei Milliarden Euro bleiben im aktuellen Haushaltsentwurf nur noch 17 Millionen Euro. In der Flugbranche, die schon wegen der unvermittelten Anhebung der Luftverkehrssteuer in Aufruhr ist, mischt sich jetzt Empörung mit Ratlosigkeit. Ist die Dekarbonisierung der Luftfahrt nun gewollt oder nicht?

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In technischer Hinsicht sind die Triebwerke moderner Verkehrsflugzeuge der großen Hersteller Boeing oder Airbus schon heute in der Lage, theoretisch mit bis zu 100 Prozent SAF zu fliegen, also mit Bio-Sprit, der anstelle von Erdöl aus Biomasse wie Forstabfällen oder Altfetten gewonnen werden kann. Das Problem ist nur die Verfügbarkeit.

Die Lufthansa zum Beispiel betankt ihre Maschinen zurzeit zu etwa 0,2 Prozent mit nicht-fossilem Sprit. Die EU-Quote erfordert eine Verdreißigfachung dieser Beimengung bis 2030. Studien sagen der Branche eine globale Versorgungslücke voraus. Demnach wird es nur halb soviel SAF geben, wie benötigt wird beziehungsweise vorgeschrieben ist.

„Verbindliche Quoten allein führen nicht zum Aufbau eines sich selbst tragenden Markts“, sagt eine Sprecherin der Lufthansa-Gruppe. Nachhaltige Flugkraftstoffe seien aktuell nur „in sehr geringen Mengen verfügbar und mindestens fünfmal teurer als fossiles Kerosin.“ Die politisch gewollte Skalierung könne nur mit einer Förderung der Produktion und Nutzung alternativer Kraftstoffe gelingen.

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Dass für die Dekarbonisierung der Luftfahrt Frittenfett allein nicht reichen wird, ist auch im Pommes-affinen Brüssel bekannt. Deshalb hat sich die EU-Kommission innerhalb der SAF-Beimischung noch eine Subquote für synthetische Kraftstoffe ausgedacht, die mithilfe von (grünem) Strom produziert werden sollen.

Die E-Fuels sollen helfen, auch den schädlichen Rußausstoß und damit verbundene Kondensstreifen zu reduzieren. Doch sie haben einen entscheidenden Nachteil: Es gebe sie „bisher nur im Labor“, so die Lufthansa-Sprecherin. Es sei völlig ungewiss, wie sich Produktionskapazitäten und Preise der nachhaltigen Kraftstoffe entwickeln würden. Umso mehr, nachdem der Bund den Hahn zugedreht hat.

Für Irritationen sorgten die Sparpläne auch beim bundeseigenen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Dieses will im Chemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt ein ehrgeiziges Forschungszentrum zur Entwicklung strombasierter Flugkraftstoffe aufbauen. Geplanter Baubeginn: jetzt. Umso überraschter mussten die Forscher feststellen, dass für die SAF-Entwicklung die Fördermittel dramatisch gekürzt worden waren.

Quelle: Infografik WELT
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Es gelang ihnen aber offenbar, den beteiligten Ministerien zu vermitteln, dass die Ampel ihrem eigenen Vorzeigeprojekt den Saft abzudrehen drohte. Im jüngsten Haushaltsentwurf hat man eilig nachgebessert und die Kürzung für das laufende Jahr um 30 Millionen Euro zurückgenommen sowie weitere 100 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre herbeigezaubert. Leuna wäre damit gerettet.

Doch die zwei Milliarden an Fördermitteln für die SAF-Erzeugung bleiben gestrichen. Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Luftverkehrswirtschaft (BDL), sieht darin einen Bruch des Koalitionsvertrags. „Die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer sollen für Produktion und Einsatz von CO2-neutralen Kraftstoffen genutzt werden“, sagt er.

Damit habe Deutschland Vorreiter beim klimaneutralen Fliegen werden wollen. „Stattdessen streicht die Bundesregierung die Fördermittel auf fast null zusammen und erhöht gleichzeitig die Luftverkehrsteuer.“ Statt voranzuschreiten, verliere „Deutschland bei diesem wichtigen Zukunftsthema den Anschluss“, sagt der Verbands-Hauptgeschäftsführer.

Das Verkehrsministerium betont auf Anfrage, der Markthochlauf nachhaltiger Flugkraftstoffe habe weiter „eine wichtige Priorität“. Man wolle mit Vertretern von Wirtschaft und Verbänden „alternative Finanzierungsmodelle“ erörtern.

Dass der Protest aus der Flugbranche weniger Wirkung zeigt als zum Beispiel jener der Bauern, könnte nach einer scherzhaften Analyse des Lufthansa-Chefs auch im Verkehrsmittel begründet liegen. Er könne keine Flugzeuge vor das Brandenburger Tor fahren, sagte Carsten Spohr kürzlich in Berlin. Aber er würde gern.

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