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  3. Shein & Temu statt Zara: Deutschlands eigenartiger Mode-Boom – China als Gefahr für H&M & Co.?

Wirtschaft China statt Zara

Deutschlands eigenartiger Mode-Boom

Wirtschaftskorrespondent
Eine Primark-FIliale in der Innenstadt Eine Primark-FIliale in der Innenstadt
Eine Primark-FIliale. Der Hersteller muss mit aggressiver Konkurrenz aus Fernost rechnen
Quelle: picture alliance / empics
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Deutsche Kunden geben an, beim Klamottenkauf auf Umweltschutz und hohe Standards zu achten. Doch die Beliebtheit chinesischer Billig-Hersteller wie Shein und Temu scheint ungebrochen. Darunter leiden vor allem günstige Alternativen. Ein Marktsegment rettet der Branche dennoch die Bilanzen.

Das Thema Nachhaltigkeit ist für Gerd Oliver Seidensticker Chefsache. Der geschäftsführende Gesellschafter des gleichnamigen Modeherstellers aus Bielefeld will, dass jede Frage, Anregung oder Beschwerde von Konsumenten rund um die Umweltaktivitäten seines Unternehmens oder den Fußabdruck der verkauften Seidensticker-Hemden, -Blusen, -Shirts und -Pullover auf seinen Schreibtisch landet. Aber viel ist das nicht. Rückmeldungen gebe es allenfalls vereinzelt, berichtet der Unternehmer.

„Das ist schon überraschend. Denn eigentlich ist Nachhaltigkeit doch das große Thema unserer Zeit.“ In der Mode allerdings scheine dieser Gedanke nicht durchzudringen. Stattdessen würden chinesische Billiganbieter Hunderttausende billige Kleidungsstücke nach Deutschland verkaufen und sogar per Flugzeug dorthin fliegen lassen. „Das ist das genaue Gegenteil von Nachhaltigkeit.“

Gemeint sind Plattformen wie Shein oder Temu, die das Geschäftsmodell Fast Fashion derzeit auf die Spitze treiben und mit aggressiver Werbung und besonders niedrigen Preisen zum Erfolg kommen. Während Anbieter wie Zara, H&M oder Primark schon nur ein paar Wochen brauchen, um Trends aufzugreifen und neue Kollektionen auf den Markt zu bringen, dauert es bei Shein und Temu lediglich einige Tage. Und die Kunden greifen begierig zu.

Der Luftfrachtweg zwischen China und Europa ist mit den Paketen der beiden Versender mittlerweile fast vollständig ausgelastet, sagen Logistik-Experten. Dass Behörden, Verbraucherschützer und Umweltaktivisten vor den Billigartikeln aus Fernost warnen, weil gesetzliche Anforderungen an die Produktsicherheit vielfach nicht eingehalten werden und auch sonst Qualitätsmängel bestehen, lässt die Schnäppchenjäger hierzulande aber offenbar kalt. „Das scheint so gewollt von den Konsumenten“, sagt Unternehmer Seidensticker.

Dazu passen auch die Ergebnisse der Verbraucherbefragung „Mode Märkte Marken“ des Modeindustrieverbandes German Fashion, den Seidensticker als Präsident anführt. Danach sagt zwar eine deutliche Mehrheit der gut 2100 Umfrageteilnehmer, dass ihnen Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit wichtig sind. Das tatsächliche Konsumverhalten weicht dann aber merklich davon ab, heißt es in der gut ein Jahr alten Studie.

Ohnehin würden beim Thema Nachhaltigkeit einige Teilergebnisse der Befragung der veröffentlichten Meinung widersprechen, schreiben die Autoren. Das unterstreicht auch die darin aufgeführte Prioritätenliste der deutschen Konsumenten für den Einkauf von Bekleidung. Die Kriterien „Verzicht auf Ausbeutung von Menschen in den Produktionsländern“ und „nachhaltige und umweltfreundliche Herstellung“ haben es nämlich mit den Plätzen acht und neun gerade so in die Top-Zehn geschafft.

Quelle: Infografik WELT

Ganz vorne steht eine gute Passform, vor dem Preis-Leitungs-Verhältnis und dem Thema Bequemlichkeit/Komfort. Zudem liegen die Kriterien Qualität, Stil, Funktionalität und nochmals explizit ein günstiger Preis vor den ersten Nachhaltigkeitsaspekten.

Weitere Erfolge für Shein und Temu scheinen also vorprogrammiert. Und zusätzliche Plattformen stehen mit TikTok Shop und Tmall bereits in den Startlöchern. Rufe nach mehr Kontrolle durch Politik und Behörden werden daher lauter. „Es gibt keine gleichen Wettbewerbsbedingungen“, kritisiert zum Beispiel Alexander von Preen, Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE) und im Hauptberuf Chef des Sportartikelhändlers Intersport Deutschland.

Frankreich verhängt hohe Importzölle

Es gebe einen europäischen Binnenmarkt mit Regularien, an die sich hier alle halten müssen. Die Plattformen aus China aber würden vielfach gegen Vorgaben zu Produktsicherheit, Arbeitsbedingungen, Nachhaltigkeit, Urheberrecht oder Datenschutz verstoßen.

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Das habe der Handel auch schon mehrfach bei zuständigen Stellen in Berlin angemahnt. Von Preen: „Der Zoll muss die Importware überprüfen, die per Flugzeug und mit Container hier ankommt. Trotzdem passiert nichts. Regularien werden mit Füßen getreten, aber niemand geht dagegen vor und schützt uns. Das ist ein Skandal.“

Reagiert wird nun in Frankreich. Dort sollen die Anbieter von Fast Fashion künftig Abgaben zahlen, wenn sie ihre Kleidung ins Land liefern: anfangs fünf Euro pro Artikel, später dann bis zu zehn Euro. So jedenfalls sieht es ein Gesetzentwurf vor, den das französische Parlament jüngst diskutiert hat. Noch ist unklar, welche Anbieter unter das Gesetz fallen sollen.

Shein hat Anne-Cécile Violland von der konservativen Regierungspartei Horizons, die Wegbereiterin des Gesetzes, in ihrer Rede vor den Abgeordneten aber explizit genannt. Frankreich ginge mit einer solchen Regelung weit über die Pläne der EU hinaus. Brüssels geplante EU-Ökodesign-Verordnung verpflichtet Hersteller vor allem, Produkte recycling- und reparaturfähig zu machen. Zudem soll unbenutzte und unverkaufte Mode ab 2028 nicht mehr vernichtet werden dürfen.

Leidtragende des Hypes um Shein, Temu und Co. sind in Deutschland insbesondere die Discounter mit ihren Aktionswaren im Bereich Mode/Textil. „Dieses Geschäft springt nicht mehr so richtig an“, berichtet Branchenvertreter Seidensticker. Die deutsche Modeindustrie dagegen sei davon kaum betroffen und eingeschränkt. „Das ist eine andere Kategorie und Preisklasse“, begründet Seidensticker.

Und 2023 war dabei ein durchaus erfolgreiches Geschäftsjahr für die heimischen Hersteller. Um 10,8 Prozent auf knapp 6,9 Milliarden Euro ist der Umsatz gestiegen, meldet das Statische Bundesamt, das allerdings nur Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern berücksichtigt.

Quelle: Infografik WELT

Die kleineren Betriebe hinzugerechnet, sieht German Fashion die Erlöse bei rund 11,6 Milliarden Euro. Damit ist in beiden Kategorien das Vor-Pandemie-Niveau wieder erreicht, heißt es vom Verband. Wobei der größte Teil des Zuwachses auf Preiserhöhungen zurückgeht, wie Seidensticker zugeben muss.

Positiv entwickelt haben sich sowohl die Exportzahlen als auch das Inlandsgeschäft, die beide mit fast elf Prozent im Plus lagen. Mit einer Quote von rund 43 Prozent geht dabei mittlerweile fast die Hälfte der Produktion der deutschen Hersteller in andere Märkte, allen voran nach Polen, in die Schweiz, nach Österreich, in die Niederlande und nach Frankreich.

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Bei den Importen wiederum ist Asien bestimmend mit China, Bangladesch und Vietnam in den Top-Fünf, dazu kommen die Türkei und Italien. Wobei in der Einfuhrstatistik die Minuszeichen dominieren.

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„Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass die Produktion vermehrt zurückverlagert wurde“, sagt Thomas Lange, der Hauptgeschäftsführer von German Fashion. Stattdessen habe es aus dem Vorjahr noch große Lagerbestände gegeben, die 2023 abverkauft wurden.

Für das laufende Jahr gibt sich die Branche eher zurückhaltend. Verbandschef Seidensticker spricht von der schwierigen wirtschaftlichen Lage und dazu der typischen German Angst, die auf die Konsumstimmung drückt. Und bislang fehle es an Impulsen, damit die Konsumenten wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken. Die Lagebeurteilung sei daher schlechter als Anfang 2023.

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