Generative künstliche Intelligenz (GenAI) verschafft der Start-up-Szene in Deutschland einen Lichtblick. Während die Zahl der Neugründungen nach dem Rekordjahr 2021 seit zwei Jahren zurückgeht, entwickelt sich das Wachstum bei Start-ups mit dem Fokus auf GenAI explosiv.
Die Technologie, die auch hinter Anwendungen wie ChatGPT steht, hat im vergangenen Jahr zu zwei Dritteln mehr Gründungen mit KI-Bezug geführt als im Vorjahr. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie des Startup-Verbands und von hubraum, dem Tech-Inkubator der Deutschen Telekom.
Demnach wurden im vergangenen Jahr hierzulande 341 neue Start-ups mit KI-Bezug gegründet. Der Anteil dieser Start-ups an den Neugründungen in Deutschland hat sich zudem insgesamt verdoppelt. Lag er zwischen 2019 und 2022 noch bei sechs bis acht Prozent, waren im vergangenen Jahr 14 Prozent aller Neugründungen KI-Start-ups.
Nur ein kleiner Teil der GenAI-Firmen entwickeln eigene Foundation-Modelle, zu denen auch GPT-4 gehört, das große Sprachmodell (LLM) von OpenAI. Die meisten Start-ups zählen sich zu den Implementierern, die diese Technologien in ihre eigenen Produkte einbinden.
So wandelt die Münchner Firma Summ AI komplizierte Texte in leichte Sprache um, das Berliner Start-up Clare & Me bietet mit Hilfe von KI Unterstützung und psychologische Beratung via Chat und Telefon und das Hamburger Unternehmen Oxolo erstellt automatisiert Videos mit Produktpräsentationen auf der Grundlage von Webseiten.
Mit der Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT hat OpenAI im November 2022 die Aufmerksamkeit auf diese Technologie gelenkt und einen regelrechten Hype entfacht. Die meisten Neugründungen sind deswegen noch sehr jung. Mit knapp einem Viertel haben die wenigsten GenAI-Firmen bereits ein Produkt auf dem Markt. Jedes fünfte Start-up plant noch seine Veröffentlichung, fast 60 Prozent sind aber noch nicht einmal so weit und befinden sich beispielsweise noch in der Entwicklungsphase.
Mehr als neun von zehn Start-ups richten sich mit ihrem GenAI-Produkt an andere Firmen und nicht direkt an private Nutzer. Hier scheinen auch Investoren das größte Interesse zu haben. Denn dass der zunehmende Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz eine große wirtschaftliche Dynamik ausgelöst hat, zeigen auch die Investitionen.
Während weltweit die Start-up-Finanzierungen zwischen 2021 und 2023 um 57 Prozent zurückgegangen sind, nahmen sie bei GenAI-Investitionen der Studie zufolge um 363 Prozent auf mehr als 22 Milliarden Euro zu.
„Die Dynamik bei Gründungen und Investments zeigt, dass wir auch in Deutschland und Europa bei der GenAI-Disruption mitmischen“, sagt Axel Menneking, Vice President Startup Incubation & Venturing bei hubraum.
Doch Deutschland und Europa spielen hier nur eine kleine Rolle. Seit 2018 haben die beiden GenAI-Start-ups OpenAI und Anthropic in den USA viermal so viel Kapital eingesammelt wie alle europäischen GenAI-Start-ups zusammen. Insbesondere bei der generativen künstlichen Intelligenz fällt Deutschland hier noch weiter zurück als bei Start-up-Finanzierungen über alle Branchen hinweg.
Pro Kopf gerechnet liegt Deutschland bei den Investments um den Faktor sechs hinter den USA. Bei den GenAI-Investments ist es aber der Faktor zwölf. Das hat mehrere Gründe. Vor allem aber sind die großen Investoren auch die großen US-Tech-Unternehmen.
Konzerne wie Microsoft, Google und Amazon investieren hohe Milliarden-Summen in die Neugründungen und liefern mit ihren Rechenzentren zugleich die für die Start-ups notwendigen Ressourcen, um ihre Anwendungen speisen zu können.
„Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer GenAI-Start-ups stärken wollen, müssen wir dringend mehr Kapital mobilisieren“, sagt Nicole Büttner, Gründerin und CEO von Merantix Momentum und stellvertretende Vorsitzende beim Startup-Verband.
„Wenn wir an der Schnittstelle von Finanzierung, Forschung und Ausgründung ansetzen und unsere Anstrengung deutlich ausbauen, können wir noch stärker vom KI-Boom profitieren.“ Der Wachstumsfonds der Bundesregierung, der wichtige Innovationsbereiche wie KI unterstützt, sei ein positiver Schritt.
An den Ambitionen der Gründer mit GenAI-Fokus kann die Zurückhaltung der Investoren hierzulande nicht liegen. Jeder Fünfte von ihnen will aus seinem Unternehmen ein Unicorn machen, also eine Milliardenbewertung erreichen. So äußern sich sonst nur drei Prozent aller Start-up-Gründer.
Für die Studie wurden mehr als 300 Start-ups befragt, Handelsregisterdaten von startupdetector analysiert sowie Daten des Deutschen Startup Monitors und der Plattform Dealroom genutzt.