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„Wir wollen ein starkes Industrieland bleiben“, ruft Scholz fast schon leidenschaftlich

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Bundeskanzler Olaf Scholz beim Bankentag in Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz beim Bankentag in Berlin
Bundeskanzler Olaf Scholz beim Bankentag in Berlin
Quelle: dpa
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Beim Bankentag in Berlin inszeniert sich Olaf Scholz als entschlossener Superreformer. Während die Industrie mit der Ampel-Politik noch jüngst scharf abrechnete, lobte der Bankenverband den Kanzler. Für die offen gezeigte Sympathie gegenüber Scholz hat die Branche allen Grund.

Richtig viele Freunde scheint der Bundeskanzler in der Wirtschaft aktuell wahrlich nicht zu haben. Seit Monaten prangern Unternehmenslenker den fehlenden Reformeifer der von ihm geführten Ampel-Regierung ungewohnt offen an, vor wenigen Tagen erst hat BDI-Chef Siegfried Russwurm der Politik verbal eine ordentliche Tracht Prügel verabreicht.

Dass Olaf Scholz beim vom Branchenverband BdB ausgerichteten Bankentag in Berlin nicht mit derlei Unannehmlichkeiten rechnen muss, macht Christian Sewing schon bei der Vorstellung seines wichtigsten Gastes deutlich. Dessen „Blick für den Wert eines starken Finanzsektors“ wisse man sehr zu schätzen, lobt der Chef der Deutschen Bank, der als BdB-Präsident auch so etwas wie der oberste Cheflobbyist der Branche ist.

Damit spielt Sewing natürlich nicht auf die vermeintliche und noch immer nicht restlos aufgeklärte Unterstützung des früheren Hamburger Bürgermeisters für die in den Cum-Ex-Skandal verstrickte Bank M.M. Warburg an. Er umwirbt Scholz vielmehr als Verbündeten auf dem Weg zur Vollendung der Europäischen Kapitalmarktunion.

Das politische Lieblingsprojekt der Finanzindustrie habe nun auch dank der freundlichen Hilfe aus dem Kanzleramt „endlich wieder Schwung“ aufgenommen, sagt Sewing. Scholz nimmt die verbale Umarmung gerne an und präsentiert sich gleichzeitig als zu äußerster Tatkraft entschlossener Das-Land-Voranbringer, gegen den selbst sein Vor-Vorgänger Gerhard Schröder wie ein eher unscheinbarer Reformsachbearbeiter wirkt.

Beim Empfang am Vorabend der Veranstaltung hatten die Bankmanager noch reihenweise davon berichtet, wie schlecht die Stimmung ihrer mittelständischen Kunden ist. Die fragile Lage hat der Bankenverband mit der Wahl des Mottos „Navigieren durch unruhige Zeiten“ aufgegriffen, auf Bildschirmen im Saal des Veranstaltungssaals am Berliner Westhafen wogen deshalb während der gesamten Veranstaltung digitale Wellen sanft auf und ab.

Scholz greift die maritime Thematik gerne auf. Für die Politik ginge es nun darum, „den Standort eines Schiffes zu bestimmen und auf richtigem Kurs zu halten“. Warum er sich für den richtigen Kapitän hält, legt er anschließend ausführlich dar.

Dabei räumt Scholz zunächst ein, dass es gerade nicht so rund läuft, wie er es gerne hätte. „Das ist zu wenig, da geht mehr“, sagt er. In seiner Wahrnehmung schöpft die deutsche Wirtschaft ihr Potenzial aber nicht wegen, sondern trotz der Arbeit der Ampel-Regierung nicht voll aus. Denn es seien vor allem externe Faktoren wie die wirtschaftliche Abkühlung Chinas und die schnell gestiegenen Leitzinsen, die das Wachstum ausbremsten.

Bezahlbare Energie, mehr Arbeitskräfte, vereinfachtes Baurecht

Natürlich existierten daneben auch „strukturelle Themen“, so fehle es „nicht an Arbeit, sondern an Arbeitskräften“. Und natürlich sei auch die immer weiter zunehmende Bürokratie ein Thema. Die Verantwortung dafür sieht der Kanzler allerdings anderswo: „Was irgendwelche Beamten und Ausschüsse in Brüssel machen, wird nie kritisiert“, klagt Scholz.

Was er und die anderen Regierungsmitglieder in Berlin machen, verfolgt nach seiner Darstellung dagegen ein klares Ziel: „Wir wollen ein starkes Industrieland bleiben“, ruft Scholz fast schon leidenschaftlich. Das Siegel „Made in Germany“ solle auch künftig für Spitzenleistungen bei Technologie und Innovation stehen.

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Als Beweis dafür, dass seine Regierung als Wegbereiter für dieses Ziel fungiert, präsentiert Scholz eine aus seiner Sicht pralle und bereits abgearbeitete Fortschrittsagenda. So habe man etwa „alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mehr Arbeitskräfte zu haben“. Er verweist er auf den Ausbau der Ganztagsbetreuung und die erleichterte Einwanderung von Fachkräften, zudem setze er sich dafür ein, dass „es attraktiver wird, über die Rente hinaus zu arbeiten“.

So geht das weiter. „Wir sorgen für bezahlbare Energie“, lobt Scholz die eigene Arbeit. Beim Ausbau der Erneuerbaren habe man das erforderliche Tempo erreicht, beim Solarstrom liege man gar „über dem Soll“. Das Baurecht werde vereinfacht, Genehmigungsverfahren sollen deutlich beschleunigt werden.

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Zudem gehe man den „Investitionsstau“ an, in diesem Jahr mache die Regierung dafür 110 Milliarden Euro locker, und auch für die kommenden Jahre seien hohe Ausgaben geplant. Zu diesen zählt Scholz auch die hohen Subventionen für Halbleiterfabriken. Diese seien von großem Nutzen für die Regionen und den deutschen Mittelstand. Denn durch sie entstünden „Cluster“. Und die seien „Schlüssel, um bei der Transformation erfolgreich zu sein“.

Die Darstellung einer Nation im Hochgeschwindigkeitsmodernisierungsmodus erstaunt auch einige Zuhörer. „Niemand hätte hier übermäßige Selbstkritik erwartet“, sagt ein hochrangiger Banker. „Etwas mehr Einsicht hätte man schon erwarten können“. Offene Widerworte muss Scholz hier allerdings nicht fürchten. Sie wären auch ausgesprochen unfreundlich.

Schließlich stellt sich der Kanzler als verlässlicher Verbündeter und Förderer jener Branche dar, zu der Politiker noch vor einigen Jahren demonstrativ auf Abstand gingen. Ja, in den Jahren nach der Finanzkrise 2008 hätten die Banken in der Kritik gestanden, sagt der Kanzler. Aber der Gesetzgeber, die Bankenaufsicht und „insbesondere die Banken selbst“ hätten ihre Lektionen gelernt.

Während der Corona-Pandemie habe die Branche mit Finanzierungen und Liquiditiät dann an der Seite der Politik gestanden. Dieser Einsatz habe gezeigt, dass die Finanzindustrie heute nicht mehr „Teil des Problems, sondern Teil der Lösung“ sei.

Bankier Sewing wirkt emotional überwältigt

Die Floskel ist seit Jahren fester Bestandteil aller Reden Sewings. Dass Scholz sie nun exakt übernimmt, darf der Chefbanker als großen Erfolg verbuchen. Aber dabei bleibt es nicht. Auch Scholz’ Ausführungen zur Kapitalmarktunion könnten aus einem Positionspapier des Verbands stammen.

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Die für die Zukunft erforderlichen Investitionen von bis zu 500 Milliarden Euro im Jahr seien nur mit privatem Kapital zu leisten. Deshalb brauche Europa einen „tieferen und leistungsfähigeren Kapitalmarkt“ mit besseren Rahmenbedingungen für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, gemeinsamen Insolvenzregeln und einem gestärkten Verbriefungsmarkt. Er wolle die sperrige Materie zu einem „Thema von höchster Priorität“ machen, sagt Scholz.

Von so viel Zuneigungsbekundung wirkt selbst Banker Sewing geradezu überwältigt. „Als ich den Bundeskanzler nach draußen begleitet habe, habe ich ihm herzlichst gedankt“, sagt er. „Mehr geht nicht!“ Mit Kritik hält er sich in seiner Rede denn auch merklich zurück. Immer wieder referiert er, was Scholz so alles ausgeführt habe, um dann bloß zu ergänzen, dass vermutlich „noch mehr möglich“ sei.

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Das trübt die Freude kaum, offenbar endlich mit schon lange gesendeten Botschaften durchzudringen. So könne die Branche wohl auf merkliche Entlastungen bei der Regulierungslast hoffen. Den gemeinsamen Kapitalmarkt sieht Sewing als wichtigstes Mittel zur Behebung der aktuellen Strukturschwäche.

Kürzlich habe er mit einem „Großinvestor“ gesprochen, der 200 Milliarden Euro weltweit anlegen wolle, berichtet er. 185 Milliarden davon seien für die USA bestimmt, die Summe für Europa habe der Investor nicht beziffern können. „Wir brauchen den einheitlichen Markt, um diese Gelder zu bekommen“, sagt Sewing. Auf Freund Scholz kann er bei diesem Ziel zählen.

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