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Reederverband

Sorge um die Sicherheit des Seehandels

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 12.03.2024Lesedauer: 4 Minuten
Einsatzraum der britischen Fregatte „HMS Richmond“ bei der Bekämpfung von Drohnen im Roten Meer vergangene Woche, die von Huthi-Rebellen gestartet worden waren
Einsatzraum der britischen Fregatte „HMS Richmond“ bei der Bekämpfung von Drohnen im Roten Meer vergangene Woche, die von Huthi-Rebellen gestartet worden warenQuelle: dpa

Die Angriffe der Huthi im Roten Meer erschweren auch den deutschen Import von verflüssigtem Erdgas, teilt der Branchenverband VDR mit. Die wachsenden Spannungen zwischen China und Taiwan wiederum verfolge die Schifffahrtsbranche „mit großer Besorgnis“.

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Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Ende Februar 2022 stellte Deutschland seine Erdgasversorgung innerhalb eines Jahres konsequent um – russisches Pipelinegas fiel weg, Terminals für den Import von tief gekühltem, verflüssigtem Erdgas (LNG) wurden in kürzester Zeit in Wilhelmshaven, Lubmin, Brunsbüttel und Stade gebaut.

Doch nun zeigt sich: Auch der Import von Erdgas aus vielen andren Weltregionen wie etwa aus dem Emirat Katar gerät in den Einfluss internationaler Krisen. „Etwa 24 Prozent der deutschen Erdgasimporte gehen normalerweise durch das Rote Meer und den Suezkanal“, sagte am Dienstag in Hamburg Martin Kröger, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), bei der Vorlage der Jahreszahlen für 2023. Auch LNG-Gastanker fahren nun, wie auch die meisten anderen Handelsschiffe, den mehr als zwei Wochen langen Umweg um Südafrika herum.

Denn in den vergangenen vier Monaten haben Huthi-Rebellen rund 60 Schiffe im Roten Meer angegriffen, auf der für den Welthandel so wichtigen Schifffahrtsroute. In der vergangenen Woche wurden dabei erstmals auch Seeleute getötet. „Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen sind beunruhigend. Auch wenn die Schifffahrtsbranche grundsätzlich krisenerprobt ist und flexibel auf neue geopolitische Rahmenbedingungen reagieren kann, sind Stabilität und Sicherheit auf Dauer unverzichtbar“, sagte die VDR-Präsidentin Gaby Bornheim. „Wenn maritime Lieferketten ständig gestört sind, ist irgendwann unsere Versorgung über See gefährdet.“ Deutschland wickele rund 60 Prozent seines Im- und Exports über den Seeweg ab. Über ihn kommen Energie, Lebensmittel, Kleidung, Technik, Möbel und Medikamente ins Land.

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Und es betrifft nicht nur das Rote Meer, sondern – wegen der Spannungen zwischen China und Taiwan – besonders auch die Taiwanstraße und das südchinesische Meer. Durch die Taiwanstraße läuft etwa 90 Prozent des globalen Containerverkehrs. Das Schwarze Meer wiederum ist seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges als Handelsraum weitgehend lahmgelegt. Und vor Westafrika bedrohen weiterhin Piraten den Handelsverkehr.

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Die Spannungen zwischen China und Taiwan in den regionalen Seegebieten seien wesentlich konkreter, als es hierzulande üblicherweise wahrgenommen werde. „Die Spannungslage dort bleibt jeden Tag auf hohem Niveau“, sagte Kröger, „das sehen wir mit großer Besorgnis.“ China will Taiwan als abtrünnige Provinz an das Festland anschließen und droht, dafür im Zweifel auch militärische Gewalt anzuwenden. Auch zwischen China und den Philippinen zeigen sich immer wieder Spannungen mit der Präsenz von Marineeinheiten im Südchinesischen Meer, das China – im Widerspruch zum Völkerrecht – als sein Hoheitsgebiet ansieht.

Die multiplen Krisen überdecken beim Reederverband derzeit andere drängende Themen – die Arbeit in der Schifffahrtsbranche für einen besseren Klimaschutz, die Anstrengungen für mehr und bessere Ausbildung in der deutschen Seeschifffahrt, die Sorge um die schlechte Qualität der deutschen Flaggenstaatverwaltung.

Ende 2023 bestand die deutsche Handelsflotte aus insgesamt 1800 Schiffen, 39 weniger als im Jahr zuvor. Die Bruttoraumzahl (BRZ) der gesamten Flotte stieg hingegen auf 47 Millionen BRZ von 44,8 Millionen BRZ im Jahr 2022. Grund dafür ist, dass die Schiffe in deutschem Eigentum zwar weniger, aber auch größer werden. Insgesamt ist Deutschland weiterhin die siebtgrößte Schifffahrtsnation der Welt. Griechenland, China und Japan belegen in dieser Reihenfolge die ersten drei Plätze. Bei der Containerschifffahrt steht Deutschland mit 29 Millionen BRZ auf Rang eins, knapp vor China mit 28,1 Millionen BRZ. Die Mehrzahl der deutschen Reedereien sei mittelständisch geprägt, sagte Kröger, 80 Prozent der Unternehmen habe weniger als zehn Schiffe.

Starken Verbesserungsbedarf sieht der VDR bei der Verwaltung der deutschen Flagge. 881 Schiffe der deutschen Handelsflotte führen die Flagge eines EU-Landes am Heck, darunter 259 die deutsche Flagge, 386 Schiffe die Flagge Portugals, 135 Schiffe die Flagge Zyperns, 41 Schiffe fahren unter der Flagge Maltas und 60 unter der Flagge eines anderen Landes der EU: „Damit fährt jedes zweite deutsche Schiff unter der Flagge eines EU-Landes“, sagte Kröger.

Beim Ranking der Flaggenstaaten stehe Deutschland allerdings nur noch auf Platz 34 von 39 Rängen, die zur sogenannten „weißen Liste“ der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle (ParisMoU) zählen. Staaten wie die Marshallinseln, die Bahamas oder Liberia, die aus deutscher Sicht lang als „Billigflaggen“ gescholten worden waren, stehen in diesem internationalen Qualitätsvergleich teils deutlich weiter vorn. Wesentliche Verbesserungen brächte es schon, wenn die Reedereien bei der öffentlichen Hand für die Verwaltung der deutschen Flagge nur eine einzige Anlaufstelle hätten, sagte VDR-Präsidentin Bornheim: „Derzeit müssen Reedereien für die Verwaltung der Flagge mit fünf bis sechs Behörden umgehen.“

Für einen besseren Klimaschutz in der Schifffahrt müsse die Bundesregierung endlich dafür sorgen, dass die deutschen Reedereien in das Emissions-Handelssystem der EU einbezogen werden können: „Wir unterstützen grundsätzlich eine Emissions-Bepreisung, denn sie kann eine wirksame Ergänzung zu mehr Klimaschutz sein“, sagte Kröger. Die Bundesregierung müsse jedoch schnell Klarheit schaffen, wie in Deutschland die Einbeziehung der Schifffahrt in das Emissionshandelssystem genau erfolgen soll: „Bislang liegt dazu noch kein Gesetzesentwurf vor. Für uns ist Planungssicherheit das A und O, aber auch international einheitliche Wettbewerbsbedingungen.“