Schon im Eingangsbereich weiß man nicht, wohin mit sich. Alles riecht, alles schimmert. Bunte Tops links, Jeans daneben, Lippenbalsam im Trio rechts, Silberuhren von Hugo Boss dahinter. An der Kasse Socken, dazwischen gekühlte Mezzo Mix. Die Kaufreize schreien von allen Seiten – man möchte sich am liebsten zu Boden werfen und ergeben: „Ist ja gut, ich kaufe ALLES!“
TK Maxx ist eines der absurdesten Geschäfte der modernen Bekleidungsindustrie in Deutschland. Im zunehmenden Sterben des Einzelhandels gehört TK Maxx zu denjenigen, die überleben. Nicht nur das: Sie werden sogar immer stärker. Mittlerweile gibt es in Deutschland 174 TK Maxx-Stores. Für dieses Jahr sind weitere Eröffnungen in Wolfsburg, Düren, Dresden und Königsbrunn geplant. Wie machen sie das?
Ein TK Maxx-Store in Berlin: Ein Mann versucht wechselnd auf Türkisch und Deutsch seiner Frau das weiße T-Shirt von DKNY auszureden. „Es ist zu groß“, sagt er flehend. Sie bleibt stur. „Ich stopfe es eh in meine Jeans, das sieht man nicht.“ Sie hat sich verliebt. In das Shirt? Oder in den Preis? Es kostet 19,99 Euro. Aber der Originalpreis, das betont TK Maxx auf dem Preisschild, er wäre 49 Euro gewesen. Dieses Schnäppchen möchte sich die Frau nicht durch die Lappen gehen lassen. Der Mann hat den Kampf verloren. Er trottet mit seiner Frau zur Kasse.
Konfusion als Strategie
TK Maxx, dessen Mutterkorn Tj Maxx aus den USA kommt, fährt eine Niedrigpreisstrategie für Markenmode. Im Sortiment sind unter anderem Kleidungsstücke von Calvin Klein, Tommy Hilfiger und Hugo Boss – verkauft werden diese bis zu 60 Prozent günstiger als die unverbindliche Preisempfehlung. Nur wie? „Wir nutzen eine Vielzahl von Gelegenheiten. Dies können Stornierungen von Kaufhäusern, Überproduktionen von Markenanbietern oder auch großartige Deals sein, wenn ein Anbieter Ware abverkaufen möchte“, schreibt eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage. „Anders als andere Einzelhändler, die ihre Produkte saisonweise erwerben, kaufen wir das ganze Jahr über ein und verfügen somit über neue Marken- und Designerprodukte, die mehrmals wöchentlich in unseren Stores eintreffen.“
Gerade diese Unbeständigkeit gehört zum Markenkern des Einzelhandelsunternehmens. Auf nichts ist Verlass. Fast täglich wechselt das Sortiment. An den Kunden funkt das Signal: „Sei schnell, bevor die Hose weg ist, für immer.“ Im Berliner Store verlässt nun eine Frau mit ihrem minderjährigen Sohn den Laden. Sie hat nichts gekauft, kommt aber regelmäßig hierher. Für sie ist TK Maxx eine Wundertüte, die gerade wegen ihrer Launenhaftigkeit den Reiz ausmacht: „Ich kann nicht planen, was ich kaufe. Ich komme nicht mit dem Gedanken her: Ich brauche eine Jeans. Nein, so funktioniert das nicht. Ich lasse mich überraschen, was mir der Laden bietet und plane dementsprechend Zeit ein.“
Luxus und Geiz kommen zusammen
TK Maxx schafft Bedürfnisse, statt sie zu stillen. Eigentlich war man hierhergekommen, um ein paar Frühlingsoutfits zu shoppen, nun sind aber noch Klobürste, Kopfkissen und Blumentopf im Einkaufskorb dazugekommen. So bunt wie die Produktmischung ist auch die Kundschaft. Von der bürgerlichen Akademikerin, die zwar wohlhabend, aber sparsam ist bis hin zum Bürgergeldbezieher, der arm ist, aber nicht so aussehen will, können sich viele Menschen auf TK Maxx einigen.
Auch im Store in Berlin lassen sich verschiedene Sozialmilieus beobachten, wie sie sich in den engen Gängen aneinander vorbeischlängeln. Hier mal ein Familienvater, der für sein Kleinkind eine hochwertige, aber günstige Jacke sucht, da mal ein Student und im nächsten Moment eine rothaarige Frau in einer Fußballjacke von Dynamo Dresden und Energydrink in der Hand.
Sie alle eint der Wunsch nach dem Schnäppchen. Aber sind die Waren wirklich so preisgünstig, wie TK Maxx tut? Daran gab es in der Vergangenheit immer wieder Zweifel. Das Verbrauchermagazin „Marktcheck“ des SWR hatte in einer investigativen Recherche behauptet, dass TK Maxx bei der unverbindlichen Preisempfehlung durchaus mal trickst, weil sie aus dem Vorjahr stammt.
Im Berliner Store bestätigt sich dieser Eindruck. Im Schuhabteil für Männer wird das Adidas-Modell „Adifom SLTN“ für 49 Euro angeboten, obwohl laut Preisschild die unverbindliche Preisempfehlung 110 Euro sei. Bei einer kurzen Internetrecherche stellt sich aber heraus, dass Adidas selbst den Schuh mittlerweile für 55 Euro anbietet. Zum Teil findet sich auch B-Ware im Sortiment, die aber auch als solche gekennzeichnet ist.
Bei einigen Kunden ist das längst angekommen. Der 22-jährige Tom, der vor Kurzem sein Studium beendet hat, weiß um die ein oder andere Trickserei des Unternehmens. „Ich prüfe immer wieder die Preisschilder und Qualität, bevor ich hier Kleidung kaufe“, sagt er, als er den Laden in Berlin verlässt. Seit Jahren komme er aber gerne zu TK Maxx, weil der Laden ein breites Angebot von Tommy Hilfiger-Kleidung habe. Gefunden hat er heute nichts. Morgen, wenn das Sortiment wieder komplett durchgewirbelt ist, kommt sicher die nächste Chance.