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Klimaneutrales Fliegen

So bereitet sich Hamburgs Flughafen auf die Wasserstoff-Ära vor

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 21.11.2023Lesedauer: 5 Minuten
v.l.: Michael Eggenschwiler von Hamburg Airport, Meike Jipp vom DLR und Jan Eike Blohme-Hardegen von Hamburg Airport
v.l.: Michael Eggenschwiler von Hamburg Airport, Meike Jipp vom DLR und Jan Eike Blohme-Hardegen von Hamburg AirportQuelle: Hamburg Airport

Die Infrastruktur soll in den kommenden Jahrzehnten permanent an einen steigenden Bedarf nach dem Energieträger angepasst werden. Hamburg Airport und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt stellen dafür Eckpunkte vor.

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Wasserstoff-Pipelines und riesige kugelförmige Lagertanks werden künftig zur Infrastruktur dazugehören: Hamburg Flughafen intensiviert seine Planungen und Vorbereitungen für eine von Wasserstoff angetriebene Luftfahrt. Gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) stellte Hamburg Airport am Dienstag eine „Roadmap“ für das wahrscheinliche Vorgehen in den kommenden Jahrzehnten vor.

„Wir wollen die Energiewende in der Luftfahrt. Dabei führt an Wasserstoff kein Weg vorbei. Aus diesem Grund engagieren wir uns bereits in mehreren Projekten, die maßgeblich zum Wechsel auf diesen sauberen Energieträger beitragen werden“, sagte Flughafenchef Michael Eggenschwiler. „Wenn wir den Einsatz dieser neuen Technologie ermöglichen wollen, müssen wir sicherstellen, dass die Infrastruktur entwickelt und einsatzbereit ist, wenn die ersten Flugzeuge starten. Dazu braucht es nicht nur die Bereitschaft des Flughafens und der Flugzeugentwickler, sondern auch der Politik – nur so können wir gemeinsam schon heute die nötigen Weichen stellen.“

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„Flughäfen sind wichtige Knotenpunkte, die einen signifikanten Beitrag zur Transformation des Verkehrssystems und zu lebenswerten Orten leisten können“, sagte Meike Jipp, Bereichsvorständin Energie und Verkehr des DLR. „Wenn wir jetzt nicht agieren, verzögern sich die nötigen Prozesse wie die Anpassung der Infrastrukturen an den Flughäfen, aber auch die Schaffung von Regularien und Standards für den Einsatz von Wasserstoff.“

Klimaneutral fliegen, mit Wasserstoff anstelle von Kerosin als Energieträger: Die Luftfahrt, die heutzutage rund drei Prozent zu den globalen Emissionen an Kohlendioxid beiträgt, könnte damit ökologisch zu einem großen Teil entschärft werden. Ende 2019 hatte Airbus-Konzernchef Guillaume Faury erstmals konkretisiert, dass Flugzeuge mit Wasserstoff-Antrieb bis zur Mitte der 2030er Jahre serienreif sein könnten.

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Der Übergang in eine neue Ära des Fliegens wird aber langfristig sein und auf mehreren Wegen parallel geschehen. Zuerst werden kleinere Flugzeuge auf Kurzstrecken mit gasförmigem Wasserstoff in Brennstoffzellen Strom für Elektroantriebe erzeugen. Später wird flüssiger Wasserstoff die Turbinen größerer Flugzeuge antreiben. Langstreckenflugzeuge werden aus heutiger Sicht noch auf Jahrzehnte Kerosin benötigen – das allerdings in Zukunft synthetisch hergestellt wird, auf der Basis von regenerativ erzeugtem, sogenanntem „grünen“ Wasserstoff.

Die Flugzeughersteller müssen ein wesentliches Problem lösen: Wasserstoff muss sehr stark gekühlt und komprimiert werden, um ihn an Bord transportieren zu können. Wasserstofftanks werden größer sein als heutige Kerosintanks. Flugzeuge mit Wasserstoffantrieb müssen deshalb völlig neu konstruiert werden. Airbus arbeitet seit Jahren intensiv an diesen Themen. Dessen großer Konkurrent, der US-Konzern Boeing, lässt bislang nicht erkennen, ob und wann er in die Herstellung von Wasserstoffflugzeugen einsteigen will. Oder ob Boeing noch für lange Zeit auf synthetisches Kerosin, sogenanntes SAF, setzen wird. Das Kohlendioxid, das bei der Verbrennung von SAF entsteht, wird später aus der Atmosphäre wieder eingefangen und mit „grünem“ Wasserstoff erneut zu synthetischem Kerosin zusammengeführt.

„Die Lieferung und Lagerung der künftig benötigten Mengen an Wasserstoff setzt eine völlig neue Infrastruktur bei uns am Flughafen voraus“, sagte Jan Eike Blohme-Hardegen, Leiter Umwelt am Hamburg Airport. „Mit den Vorbereitungen und dem Aufbau dieser Infrastruktur müssen wir jetzt beginnen, wenn wir klimafreundliche Antriebe in der Luftfahrt zeitnah etablieren wollen.“ Hamburg könnte 2040 einen ersten, sogenannten kryogenen Kugeltank benötigen, um darin 400 Tonnen gekühlten Wasserstoff zu lagern, und im Jahr 2050 einen zweiten Kugeltank. Diese Tanks sind je 34 Meter hoch, sie benötigen 900 Quadratmeter Grundfläche und bis zu 3000 Meter Fläche inklusive der Zuwegungen.

Hamburgs hat aus Sicht von Eggenschwiler für die mittelgroßen Flughäfen beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft eine Art Vorbildfunktion. Als weltweit drittgrößter Standort des zivilen Flugzeugbaus sitzt in der Hansestadt um Airbus, Lufthansa Technik und zahlreiche Zulieferunternehmen ein dichtes Netz, das wesentliche Teile der Luftfahrtindustrie abbildet. Zugleich bietet Hamburg Airport zahlreiche Kurz- und Mittelstreckenflügen an, die voraussichtlich als Erste mit wasserstoffbetriebenen Flugzeugen bedient werden. Bis 2050 könnte der Anteil der Abflüge mit Wasserstoffflugzeugen in Hamburg auf einen Anteil von 60 Prozent steigen. Dies entspräche einem jährlichen Wasserstoffbedarf am Hamburg Airport von 60.000 Tonnen mit einer entsprechend hohen Reduzierung an Treibhausgasen. Über 2050 hinaus könnte der Anteil der Flüge mit Wasserstoffantrieben auf bis zu 80 Prozent der Flugbewegungen am Hamburg Airport steigen, kalkulieren das DLR und Hamburg Airport.

Der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur kann nur in einer engen Kooperation aller am Luftverkehr Beteiligten gelingen, von den Flughäfen, der Luftfahrtindustrie und den Fluglinien bis hin zu Dienstleistern, Politik und Verwaltungen. „Wir werden kein Flugzeug auf der Basis von ,grünem’ Wasserstoff bauen, wenn wir nicht sicher sein können, dass bis 2035 ,grüner’ Wasserstoff und die erforderliche Flughafen-Infrastruktur verfügbar sein wird“, sagte Nicole Dreyer-Langlet, die Forschungs- und Technologiechefin von Airbus in Deutschland, kürzlich der WELT AM SONNTAG. „Deshalb engagieren wir uns zunehmend stark mit den verschiedenen Akteuren wie Flughäfen, Energieerzeugern, Airlines und Regierungen.“

Die Potenziale einer klimaneutralen Luftfahrt sind erheblich: „Eine aktuelle Prognose des DLR-Instituts für Luftverkehr zum Wasserstoffbedarf an deutschen Flughäfen zeigt, dass – entsprechende Weichenstellungen seitens der Politik und der Luftfahrtunternehmen vorausgesetzt – bis zum Jahr 2050 kumuliert rund 19 Millionen Tonnen Kerosin im Luftverkehr ab Deutschland durch 6,6 Millionen Tonnen ,grünen’ Wasserstoff ersetzt werden können“, sagt Meike Jipp vom DLR. „Das entspricht einer Einsparung von knapp 60 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Die unterschiedliche Menge im Vergleich ergibt sich dabei durch die höhere Energiedichte von Wasserstoff gegenüber Kerosin.“